«EIER-, MILCH- UND SEIFENPUNKTE, ANBAU
PFLICHT UND EINMACHKURS» / PETER GEIGER
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LEBENSMITTELRATIONIERUNG
Rationierung, Kontingentierung und Verbrauchs
lenkung dienten dazu, die beschränkt verfügbaren
Güter gerecht und zweckmässig auf alle Einwohner
und Betriebe zu verteilen. Eine besondere Art der
Rationierung war die Kontingentierung, bei der ein
Prozentsatz des Vorkriegs Verbrauchs, zum Beispiel
noch 40 Prozent Kohle, zugeteilt wurde. Die wich
tigste Rationierung war jene der Lebensmittel. Man
möchte meinen, die Schweiz und Liechtenstein als
bäuerliche Länder hätten die Ernährung aus eige
ner Produktion bestreiten können. Dem war nicht
so. Ein beträchtlicher Teil der Nahrungsmittel
musste importiert werden, was im Frieden pro
blemlos, im Krieg schwierig war. Daher waren Ra
tionierung und Mehranbau notwendig. Zuerst ist die
Lebensmittelrationierung darzustellen, nachher der
Mehranbau.
ÜBERSICHT 1939 BIS 1948
Die chronologische Übersicht von 1939 bis 1948 5 6 7 8 9 10 11 12 -
so lange dauerte die Lebensmittelrationierung -
zeigt den Verlauf (siehe Abb. Seite 148): Stufenweise
mussten immer weitere Nahrungsmittel rationiert
werden. Rationen wurden zusehends kleiner. 13
Ab Kriegsbeginn galt eine zweimonatige Bezugs
sperre für eine Reihe von Grundnahrungsmitteln,
um deren Rationierung vorzubereiten und zugleich
Hamsterei zu vermeiden. In den ersten zwei Kriegs
monaten September und Oktober 1939 konnten da
her nicht mehr gekauft werden: Zucker, Reis, Teig
waren, Hülsenfrüchte (das sind Bohnen, Erbsen,
Linsen), Hafer, Gerste, Mehl, Griess, Mais, Margari
ne, Speisefett und Speiseöl. 14 15 16 Ab Montag, 30. Okto
ber 1939, waren diese Grundnahrungsmittel dann
rationiert und mit Rationierungskarten erhältlich,
erstmals für den Monat November 1939. Weil die
Zufuhrwege in die Schweiz im Süden und Westen
vorerst offen blieben, konnten bis zum Frühsommer
1940 noch grössere Einfuhren getätigt und einige
der ersten Rationierungen wenigstens zeitweilig
wieder sistiert werden.
Doch im Juni 1940 schloss sich der Ring der Ach
se um die Schweiz und Liechtenstein. Jetzt war Ita
lien im Krieg, Frankreich geschlagen. Rationen wur
den gekürzt, so bei Zucker. Verkauf von frischem
Brot wurde verboten, ab Juli 1940 mussten die Bä
ckereien das Brot vor dem Verkauf einen Tag lagern,
ab Oktober 1940 zwei Tage. 15 Zeitweilig freigegebe
ne Lebensmittel mussten wieder rationiert werden,
dazu kam neu die Rationierung von tierischen Fet
ten, Butter, Rahm, Salatsaucen, ganz verboten wur
de Mayonnaise, kontingentiert der Verkauf von
Schweinefleisch. Milch war noch nicht rationiert,
aber ablieferungspflichtig ab Oktober 1940. 16 Die
Liste der bis zum Herbst 1940 rationierten Lebens
mittel macht deutlich, was knapp war: Kohlenhyd
rate, Proteine, Fett.
Das Jahr 1941, in welchem der Krieg sich aus
weitete, brachte einen weiteren Rationierungs-
5) Verfassungs-Gesetz betr. Bevollmächtigung der Regierung zur
Anordnung kriegwirtschaftlicher Massnahmen vom 2. September
1939, LBGL Nr. 13/1939.
6) Schlussbericht des Kriegswirtschaftsamtes. In: Rechenschaftsbe
richt 1948, S. 182-185.
7) LLA RF 196/32, 199/131.
8) Verordnung betreffend die Übernahme schweizerischer kriegs
wirtschaftlicher Massnahmen vom 26. März 1942, LGB1. Nr. 15/1942.
9) Vgl. LVolksblatt und LVaterland, 1939 bis 1948. - Umbruch 1940
bis 1943, darin Nachdruck einzelner Kundmachungen.
10) W&O, 2. Januar 1942.
11) Vgl. z. B. Schweizerische Kriegswirtschaft, S. 416, 674.
12) Chronologische Übersicht über die Lebensmittel-Rationierungs
massnahmen. In: Schweizerische Kriegswirtschaft, S. 463. - Siehe
auch die chronologische Übersicht über die Rationierungsmassnah
men. In: Ernst Feisst: Wie hat die Schweiz ihr Kriegsernährungs
problem gelöst? Heft 11 der Schriftenreihe des Aufklärungsdienstes
der Eidg. Zentralstelle für Kriegswirtschaft, Bern 1945, S. 55-66.
13) Arnold Muggli, Chef der Sektion für Rationierungswesen im
Eidgenössischen Kriegs-Ernährungsamt, Vortrag in Bern vom
22. Oktober 1945, LLA RF 228/21.
14) Chronologische Übersicht über die Lebensmittel-Rationierungs
massnahmen. In: Schweizerische Kriegswirtschaft, S. 463. - Schwei
zerische Kriegswirtschaft, S. 55 f. - Aufruf der liechtensteinischen
Regierung, 29. August 1939, LLA RF 193/56. - Rechenschaftsbericht
1939, S. 86.
15) Rechenschaftsbericht 1940, S. 56.
16) Ebenda.