LEUCHTENDE ZEUGEN DER ZEIT
PETER GEIGER
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IN LIECHTENSTEIN VERTRETENE
EPOCHEN UND STILARTEN
Die kirchliche Glasmalerei in Liechtenstein lässt
sich grob in drei Epochen einteilen. Die erste, fast
nicht vertretene Epoche umspannt Spätmittelalter,
Renaissance und frühe Neuzeit. Aus dieser Zeit sind
nur zwei Werke erhalten. Das eine ist ein Glasfens
ter in der Kapelle des Schlosses Vaduz, etwa aus
dem 16. Jahrhundert. Es zeigt im Stil der Spätgotik
die Kreuzigungsszene und den Tod Mariens. Das an
dere ist ein kleiner spätmittelalterlicher Fensterrest
aus Eschen, wohl aus dem 15. Jahrhundert, mit spä
teren Renaissance-Ergänzungen. Es ist heute im
Landesmuseum in Vaduz aufbewahrt. Die Künstler
aus dieser Epoche sind nicht bekannt.
Die zweite, noch mit etlichen Glasmalereien prä
sente Epoche umfasst etwas mehr als ein halbes
Jahrhundert, nämlich die Zeit von 1850 bis 1914. In
dieser Zeit wurden in sechs der elf Gemeinden des
Landes neue Kirchen gebaut, nämlich in Schellen
berg 1857 (abgebrochen 1972), in Vaduz 1873, in
Schaan 1891, in Eschen 1894, in Ruggell 1899 und
in Balzers 1912. Und in der Triesenberger Kirche
aus dem 18. Jahrhundert wurden zwischen 1850
und 1890 Glasmalereifenster eingefügt. Es war die
Zeit des Historismus, in welcher historische Stilar
ten neu übernommen wurden, vor allem die Gotik.
Neugotische Kirchen erhielten so Schellenberg, Va
duz, Schaan, Eschen und Ruggell, eine neuromani
sche Balzers. Neue Pfarrkirchen hatten auch Trie-
sen und Mauren 1841/43 erhalten, beide ohne Glas
malerei.
Dem Baustil entsprach in der Regel die Glasmale
rei. Die neugotischen Fenster der Vaduzer Pfarrkir
che schuf Albert Neuhauser von der Tiroler Glasma
lerei Innsbruck (sie wurden 1966 ersetzt). Die eben
falls neugotischen Fenster von Eschen und Ruggell
wurden von Karl Wehrli, Zürich, geschaffen, sie sind
bis heute erhalten. Karl Wehrli schuf auch die neu
barocken Triesenberger Kirchenfenster. In Triesen-
berg wurde die baufällige Pfarrkirche 1939 durch
eine neue ersetzt, ebenso 1963 jene in Schellenberg.
Auch die neugotischen Fenster der Pfarrkirche von
Schaan wurden 1977 ersetzt, doch blieb, neben
Masswerkvignetten im Schiff, insbesondere die
strahlend grosse neugotische Rosette in der West
wand bestehen, geschaffen von Carl Geihlings Er
ben, Wien. Reste von ersetzten Fenstern dieser Epo
che sind bei Gemeinden verwahrt, so in Triesen-
berg, Schellenberg und Vaduz. In den kurz vor und
nach 1900 entstandenen Glasmalereien finden sich
übrigens auch Spuren des Jugendstils, etwa was
Komposition, Natur und Ornamentik betrifft, so in
Eschen oder in der erwähnten Schaaner Rosette.
Die dritte Epoche der Glasmalerei in Liechten
stein dauert - nach einer kirchenkunstlosen Phase
des Ersten Weltkriegs und der 1920er Jahre - von
1930 bis in die Gegenwart. Erstaunlicherweise ent
standen schon in den Jahren der Wirtschaftskrise
der 1930er Jahre sowohl einige Kapellen - St. Jo
sefskirchlein Vaduz 1931, Friedhofkapelle Schaan
1934, Kapelle Nendeln 1935 - als auch zwei neue
Kirchen, jene in Schaanwald 1938 und jene in Trie-
senberg 1939, alle mit Glasmalereien ausgestattet.
Für das St. Josefskirchlein ist der Glaskünstler un
bekannt, das Fenster der Friedhofkapelle in Schaan
schuf August Wanner, St. Gallen, die nichtfigurativen
Fenster in Nendeln stammen von der Glasmanufak
tur Mäder in Zürich. Die bild- und farbkräftigen
Fenster in Schaanwald und Triesenberg hat Johan
nes Troyer, Innsbruck/Vaduz, geschaffen, sie lehnen
sich formal an romanische Vorbilder an, die Figuren
sind ausgeprägte Gebärdenträger. Mitten im Zwei
ten Weltkrieg wurde 1942/43 die Kirche von Triesen
renoviert, durch den Maler Johannes Hugentobler
von Appenzell, er malte die berühmte Kirchendecke
und füllte die Fenster mit sechs grossen, leuchten
den Engelsgestalten, sie wirken modern, natürliche
Farben und ornamentale Formen variierend.
Die nachfolgende erste Liste führt chronologisch
die Glasmalereien in Liechtenstein vom Spätmittel
alter bis 1945 auf.