Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2010) (109)

GESCHICHTE DES LAIENRICHTERTUMS IN 
LIECHTENSTEIN / ALOIS OSPELT 
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Verstärkung des Laienelements durch 
die Verfassung von 1921 
Die Verfassung von 1921 führte auch zu einer deut 
lichen Verstärkung des Laienelements in der Ge 
richtsbarkeit. Dabei wurde wie schon 1848/49 und 
1880/81 an die Verhältnisse zur Zeit der alten Land 
ammannverfassung angeknüpft. Sämtliche Ge 
richtsinstanzen wurden ins Land gelegt. Die Mehr 
heit liechtensteinischer Staatsbürger, nicht jedoch 
eine Mehrheit von Laienrichtern, wurde für sämtli 
che Kollegialgerichte vorgeschrieben. Die rechtliche 
Grundlage für Laienrichter blieb bis heute ziemlich 
dürftig. In der Praxis jedoch wurden bis in die jünge 
re Vergangenheit in sämtliche Kollegialgerichte 
mehrheitlich nicht nur liechtensteinische Staatsbür 
ger sondern auch Laien bestellt. Eine wesentliche 
Erweiterung der Mitwirkungsrechte des Volkes be 
deutete die vorgeschriebene Wahl der Mitglieder der 
Rekursinstanzen durch den Landtag, auf deren Zu 
sammensetzung das Volk bis dahin keinen Einfluss 
nehmen konnte. Für die neu geschaffenen Gerichts 
höfe des öffentlichen Rechts, Verwaltungsbeschwer 
deinstanz und Staatsgerichtshof, war eine Laien 
richterbeteiligung vorgesehen, indem nur eine Min 
derzahl von rechtskundigen Richtern vorgeschrie 
ben wurde. In Strafsachen war im Verfahren wegen 
Übertretungen wie in bürgerlichen Sachen in erster 
Instanz Einzelrichterbesetzung vorgesehen, bei 
strengeren Strafandrohungen im Verfahren wegen 
Vergehen jedoch das Schöffengericht, und im Ver 
fahren wegen Verbrechen das Kriminalgericht. In 
beiden Kollegien hatten die vom Landtag gewählten 
Laienrichter nun die Mehrheit. Auch für das Oberge 
richt und den Obersten Gerichtshof wurde eine Lai 
enrichterbeteiligung vorgesehen, indem lediglich 
für eine Minderheit der Kollegien das Erfordernis 
der Rechtskundigkeit vorgeschrieben wurde. 
Hinsichtlich der Richterbestellung wurde für bür 
gerliche Rechtssachen und Strafsachen eine unter 
schiedliche Regelung getroffen. Zur Bestellung der 
in Zivilsachen tätig werdenden Richter aller drei In 
stanzen war das Zusammenwirken von Fürst und 
Volk erforderlich. Die Wahl der Richter stand dem 
Landtag zu, das Ernennungsrecht dem Fürsten. Für 
die Strafgerichte erster Instanz galt hingegen eine 
andere Regelung. Die Laienrichter des Schöffen- 
und Kriminalgerichts wurden allein vom Landtag 
gewählt. Zu ihrer gesetzmässigen Bestellung war 
keine Ernennung oder Bestätigung durch den Lan 
desfürsten erforderlich. In diesem Bestellungsvor 
gang und der festgelegten Laienmehrheit in den 
Strafgerichten kamen die verstärkten Mitwirkungs 
rechte des Volkes deutlich zum Ausdruck. Sie zeig 
ten sich auch in der Tatsache, dass nach 1921 in je 
dem liechtensteinischen Gericht mindestens ein 
vom Parlament gewählter und über dessen Vor 
schlag vom Fürsten ernannter Richter sass. 
Jugendgericht 
1958 wurde in erster Instanz im Bereich der Straf 
rechtspflege ein Jugendgericht geschaffen, beste 
hend aus einem Landrichter als Vorsitzendem und 
zwei Laienrichtern. Als Laienrichter waren von Ge 
setzes wegen zwei Mitglieder des Jugendrates be 
stimmt. Diese Regelung war rechtlich umstritten. 
Sie wurde 1990 korrigiert und das Wahlrecht wie je 
nes für die Laienrichter in den anderen Strafgerich 
ten erster Instanz dem Landtag übertragen. Beim 
Jugendamt tätige Personen durften nicht mehr ins 
Jugendgericht bestellt werden. 
Kommissionen mit verwaltungs 
rechtlichen Funktionen 
In den Kommissionen mit verwaltungsrechtlichen 
Funktionen (Landessteuerkommission, Landes- 
Grundverkehrskommission, Beschwerdekommissi 
on für Bodenverbesserungen, Regelungskommissi 
on, Beschwerdekommission für Verwaltungsange 
legenheiten) zeigte sich ein gewandeltes Staatsver 
ständnis. In ihnen kommen Funktionen zum Tra 
gen, mit denen die Mitwirkung von Laien in den 
ordentlichen Gerichten u. a. begründet wird: das 
Einbringen von besonderen Berufs- und Fachkennt 
nissen, die Sicherung der Volksnähe, das Einbrin 
gen von Gerechtigkeitsvorstellungen des Volkes so 
wie die Stärkung seines Vertrauens in die Justiz und 
in den Staat. Die Kommissionen wurden alle erst 
nach der Verfassung von 1921 geschaffen.
	        

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