GESCHICHTE DES LAIENRICHTERTUMS IN
LIECHTENSTEIN / ALOIS OSPELT
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Verstärkung des Laienelements durch
die Verfassung von 1921
Die Verfassung von 1921 führte auch zu einer deut
lichen Verstärkung des Laienelements in der Ge
richtsbarkeit. Dabei wurde wie schon 1848/49 und
1880/81 an die Verhältnisse zur Zeit der alten Land
ammannverfassung angeknüpft. Sämtliche Ge
richtsinstanzen wurden ins Land gelegt. Die Mehr
heit liechtensteinischer Staatsbürger, nicht jedoch
eine Mehrheit von Laienrichtern, wurde für sämtli
che Kollegialgerichte vorgeschrieben. Die rechtliche
Grundlage für Laienrichter blieb bis heute ziemlich
dürftig. In der Praxis jedoch wurden bis in die jünge
re Vergangenheit in sämtliche Kollegialgerichte
mehrheitlich nicht nur liechtensteinische Staatsbür
ger sondern auch Laien bestellt. Eine wesentliche
Erweiterung der Mitwirkungsrechte des Volkes be
deutete die vorgeschriebene Wahl der Mitglieder der
Rekursinstanzen durch den Landtag, auf deren Zu
sammensetzung das Volk bis dahin keinen Einfluss
nehmen konnte. Für die neu geschaffenen Gerichts
höfe des öffentlichen Rechts, Verwaltungsbeschwer
deinstanz und Staatsgerichtshof, war eine Laien
richterbeteiligung vorgesehen, indem nur eine Min
derzahl von rechtskundigen Richtern vorgeschrie
ben wurde. In Strafsachen war im Verfahren wegen
Übertretungen wie in bürgerlichen Sachen in erster
Instanz Einzelrichterbesetzung vorgesehen, bei
strengeren Strafandrohungen im Verfahren wegen
Vergehen jedoch das Schöffengericht, und im Ver
fahren wegen Verbrechen das Kriminalgericht. In
beiden Kollegien hatten die vom Landtag gewählten
Laienrichter nun die Mehrheit. Auch für das Oberge
richt und den Obersten Gerichtshof wurde eine Lai
enrichterbeteiligung vorgesehen, indem lediglich
für eine Minderheit der Kollegien das Erfordernis
der Rechtskundigkeit vorgeschrieben wurde.
Hinsichtlich der Richterbestellung wurde für bür
gerliche Rechtssachen und Strafsachen eine unter
schiedliche Regelung getroffen. Zur Bestellung der
in Zivilsachen tätig werdenden Richter aller drei In
stanzen war das Zusammenwirken von Fürst und
Volk erforderlich. Die Wahl der Richter stand dem
Landtag zu, das Ernennungsrecht dem Fürsten. Für
die Strafgerichte erster Instanz galt hingegen eine
andere Regelung. Die Laienrichter des Schöffen-
und Kriminalgerichts wurden allein vom Landtag
gewählt. Zu ihrer gesetzmässigen Bestellung war
keine Ernennung oder Bestätigung durch den Lan
desfürsten erforderlich. In diesem Bestellungsvor
gang und der festgelegten Laienmehrheit in den
Strafgerichten kamen die verstärkten Mitwirkungs
rechte des Volkes deutlich zum Ausdruck. Sie zeig
ten sich auch in der Tatsache, dass nach 1921 in je
dem liechtensteinischen Gericht mindestens ein
vom Parlament gewählter und über dessen Vor
schlag vom Fürsten ernannter Richter sass.
Jugendgericht
1958 wurde in erster Instanz im Bereich der Straf
rechtspflege ein Jugendgericht geschaffen, beste
hend aus einem Landrichter als Vorsitzendem und
zwei Laienrichtern. Als Laienrichter waren von Ge
setzes wegen zwei Mitglieder des Jugendrates be
stimmt. Diese Regelung war rechtlich umstritten.
Sie wurde 1990 korrigiert und das Wahlrecht wie je
nes für die Laienrichter in den anderen Strafgerich
ten erster Instanz dem Landtag übertragen. Beim
Jugendamt tätige Personen durften nicht mehr ins
Jugendgericht bestellt werden.
Kommissionen mit verwaltungs
rechtlichen Funktionen
In den Kommissionen mit verwaltungsrechtlichen
Funktionen (Landessteuerkommission, Landes-
Grundverkehrskommission, Beschwerdekommissi
on für Bodenverbesserungen, Regelungskommissi
on, Beschwerdekommission für Verwaltungsange
legenheiten) zeigte sich ein gewandeltes Staatsver
ständnis. In ihnen kommen Funktionen zum Tra
gen, mit denen die Mitwirkung von Laien in den
ordentlichen Gerichten u. a. begründet wird: das
Einbringen von besonderen Berufs- und Fachkennt
nissen, die Sicherung der Volksnähe, das Einbrin
gen von Gerechtigkeitsvorstellungen des Volkes so
wie die Stärkung seines Vertrauens in die Justiz und
in den Staat. Die Kommissionen wurden alle erst
nach der Verfassung von 1921 geschaffen.