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Zusammenfassung der
historischen Entwicklung des
Laienrichtertums in Liechtenstein
ständlichkeit und Klarheit in der Darstellung
schwieriger juristischer Probleme. Laienrichter
könnten so eine Brücke zwischen Recht und Volk
schlagen. 317 Es gehe nicht darum, «aus Bürgern, die
in der Rechtspflege das Laienelement im Gegensatz
zum juristischen Fachverstand verkörpern sollen,
Minijuristen zu machen». Der Wert der Bürgerbetei
ligung liege darin, dass Laien den so genannten ge
sunden Menschenverstand in die richterliche Ur
teilsfindung einbringen. 318 Im Wesentlichen die glei
chen Argumente für das Laienelement in der liech
tensteinischen Gerichtsbarkeit wie Kohlegger führt
auch der Präsident des Obergerichts ins Feld. Er
sieht in den Laienrichtern Vertreter des liechtenstei
nischen Staatsvolks. Ihre Mitwirkung entspreche ei
nem legitimen staatspolitischen Bedürfnis. Insge
samt gebe es keinen Anlass, in Bezug auf das Laien
richtertum in Liechtenstein Grundlegendes zu än
dern. 319
Mitwirkung des Volkes in Churrätien und unter
der fränkischen Grafschaftsverfassung
Im Laufe der Zeit war die Bevölkerung unterschied
lich stark und in verschiedenen Formen an der Ge
richtsbarkeit beteiligt. Bei den von den Römern 15 v.
Chr. unterworfenen rätischen Volksstämmen lag die
Gerichtsgewalt beim Volk, bei der versammelten
Stammesgemeinde. Auch das in Churrätien bis ins
8. Jahrhundert geltende römisch geformte Gewohn
heitsrecht lässt eine Mitwirkung des Volkes deutlich
erkennen. Unter der fränkischen Grafschaftsverfas
sung ging die Gerichtsgewalt vom König aus. Die
Rechtssprechung selbst erfolgte anfänglich durch
die Versammlung der Dingpflichtigen einer Zent
grafschaft, später durch die auf Lebenszeit bestell
ten Urteilssprecher oder Schöffen. Den Gerichtsvor
sitz führte ein Zentgraf als königlich bestellter Amts
träger. Unser Gebiet gehörte zu den Zentgrafschaf-
ten «in planis» (Unter der Landquart) und «vallis
Drusiana» (Walgau).
Herausbildung der Grafschaft Vaduz
und der Herrschaft Schellenberg im
14. und 15. Jahrhundert
Aus den Grafschaften entstanden im Spätmittelalter
reichsunmittelbare Herrschaften, die jene Hoheits
rechte behielten, die einst den Grafen als königli
chen Amtsträgern zugestanden worden waren. Die
Landesherren wurden de jure zu obersten Gerichts
herren. In diesen Entwicklungsprozess gehört auch
die allmähliche Herausbildung der Grafschaft Va
duz und der Herrschaft Schellenberg im 14. und 15.
Jahrhundert. Die Leitung von Gericht und Verwal
tung lag anfänglich in den Händen herrschaftlicher
dienstadeliger Amtmänner. Die Urteilssprecher
wurden zwar zunächst wie die Amtmänner von der
Herrschaft berufen, sie waren jedoch im Gerichts
sprengel sesshafte Untertanen. Wohl seit dem 15.
Jahrhundert hatte das Volk Wahl- und Vorschlags
rechte bei der Bestellung der Gerichtsorgane, die
aus seinen Reihen stammten. Die Gerichtshoheit
der Landesherren war ein Reichslehen, das bei je
dem Herrschaftswechsel neu bestätigt werden
musste. Die Gerichtskompetenz leitete sich von
oben her ab, sie beruhte nicht auf der Souveränität