Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2010) (109)

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Die aktuelle Beurteilung 
des Laienrichtertums 
Es ist nicht Aufgabe dieser Abhandlung, eine Beur 
teilung des Laienrichtertums vorzunehmen. Es ging 
lediglich darum, dessen historische Entwicklung 
aufzuzeigen und vor diesem Hintergrund in einem 
Teilbereich einen Beitrag zu einer solchen Beurtei 
lung zu leisten. Dennoch seien im Folgenden kurz 
die heute vorgebrachten Gründe für oder gegen eine 
solche Beteiligung aufgeführt. Es geschieht dies an 
hand einer Auswahl von Aussagen in der für die 
Darstellung der allgemeinen Entwicklung der Lai 
enbeteiligung und der Entwicklung in Liechtenstein 
eingesehenen jüngeren Literatur. 304 Dabei gilt es je 
doch zu beachten, dass die meisten dieser Würdi 
gungen auf theoretischen Überlegungen und An 
nahmen fussen, die nur in den wenigsten Fällen 
durch empirische Untersuchungen erhärtet sind. 
AUSSAGEN AUS DEM DEUTSCH 
SPRACHIGEN RAUM 
Eveline Angehrn; Ludewig-Kedmi Revital 305 
Das Laienelement in der Gerichtsbarkeit wird als 
förderlich für die Urteilsakzeptanz erachtet. Die In 
stitution der Laienrichter wird als Bindeglied zwi 
schen dem gelebten und dem gelehrten Recht gese 
hen. Angesichts der Fülle und Komplexität des mo 
dernen Rechts ist jedoch umstritten, inwieweit sie 
dieser Rolle noch gerecht wird. Die Laienbeteiligung 
entspricht dem Grundgedanken des Milizsystems, 
in dem den Mitgliedern eines organisierten Kollek 
tivs demokratische Mitwirkung angeboten und die 
Bildung einer sich verselbständigenden und auf ihre 
eigenen Sonderinteressen bedachten Führungselite 
verhindert wird. Für Milizorganisationen sprechen 
auch wirtschaftliche und finanzielle Gründe. Die 
Beibehaltung des Laien in der Rechtssprechung 
gründet auf dem Misstrauen gegenüber der Staats 
gewalt und der Angst vor dem Verlust der Kontrolle 
über die Herrschaft des Rechts. Das eigentliche Ka 
pital der Justiz ist das Vertrauen des Volkes, das 
durch die Laienbeteiligung gestärkt wird. Der Lai 
enrichter entspricht dem Bild des Richters als «ei 
ner von uns», einer aus dem Volk, der sein Wissen, 
seine Fähigkeiten, seine Person in den Dienst der 
Gemeinschaft stellt. Dem Expertentum in der 
Rechtssprechung wird mit viel Skepsis begegnet. 
Durch die Volkswahl der Richter, direkt oder indi 
rekt über ein Parlament, wird die richterliche Ge 
walt in der Bevölkerung abgestützt. Die Richter 
erhalten eine demokratische Legitimation. Zur 
Rechtssprechung gehört nicht nur Rechtskenntnis, 
sondern auch das, was man allgemein unter «ge 
sundem Menschenverstand» oder Rechtsgefühl ver 
steht: eine rechte Mischung lebenspraktischer und 
abstrahierender Urteilsfähigkeit, die beim Laien 
richter stärker vermutet wird. Angenommen wird 
allerdings auch, dass Laienrichter stärker als Be 
rufsrichter durch öffentlichen Druck und Medien 
beeinflussbar sind. Laienrichter zwingen Berufsju 
risten, ihre juristisch-technische Sprache in leicht 
verständliche Alltagsbegriffe zu übersetzen. Die 
Frage bleibt offen, ob und wie weit sich das Laien-
	        

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