GESCHICHTE DES LAIENRICHTERTUMS IN
LIECHTENSTEIN / ALOIS OSPELT
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ÖSTERREICH 297 298 299
Die österreichische Bundesverfassung legt den
Grundsatz der Mitwirkung des Volkes an der
Rechtssprechung fest. Demgemäss gibt es Laienge
richtsbarkeit in Österreich. Sie existiert in zweifa
cher Form: Die Schöffengerichte, besetzt mit zwei
Berufsrichtern und zwei Schöffen, entscheiden über
im Gesetz aufgezählte Vergehen und Verbrechen
mit einer Höchststrafe, die fünf Jahre übersteigt und
nicht in die Zuständigkeit des Einzelrichters oder
des Geschworenengerichtes fallen. Schöffensenate
werden nur an den Landesgerichten eingesetzt. Lai
en und Berufsrichter entscheiden im Schöffenge
richt gemeinsam über die Schuld und die Strafe. Die
Geschworenengerichte, bestehend aus drei Berufs
richtern (Schwurgerichtshof) und acht Geschwore
nen, urteilen über die Delikte gegen den Staat und
die öffentliche Ordnung, wie Hochverrat, sowie über
Verbrechen, deren Strafmassuntergrenze mindes
tens fünf und deren Obergrenze mehr als zehn Jah
re beträgt. Die Laien entscheiden zunächst mit ab
soluter Mehrheit alleine über die Schuld bzw. Un
schuld, anschliessend gemeinsam mit dem Schwur
gerichtshof über das Strafmass.
Die Laiengerichtsbarkeit ist nur bei den Gerichts
höfen erster Instanz installiert. Gerichte der zweiten
Instanz sowie der Oberste Gerichtshof sind aus
schliesslich mit Berufs rieht ern besetzte Rechtsmit
telgerichte.
Die Schöffen und Geschworenen sind Richter, die
gemeinsam mit den Berufsrichtern staatliches Ho
heitsrecht ausüben. Sie müssen von den Berufsrich
tern vor und während des Verfahrens im Sinne ei
ner Rechtsbelehrung informiert werden. Die Schöf
fen bilden mit dem Berufsrichter einen einheitlichen
Richtersenat. Die Geschworenen bilden einen eige
nen Spruchkörper, der nach einem von den Berufs
richtern erstellten Fragenschema entscheidet, ob
der Angeklagte schuldig oder unschuldig ist.
Grundsätzlich sind alle österreichischen Staats
bürger zum Schöffenamt berufen. Die Schöffen wer
den durch Zufall ausgewählt. Eine Person, die jün
ger als 25 oder älter als 65 Jahre ist, darf nicht zum
Schöffen berufen werden. Daneben gibt es noch
eine Reihe weiterer Ausschluss- und Befreiungs
gründe vom Schöffendienst.
Gestützt auf Reichsgesetze aus den Jahren 1869
und 1907 300 sind in einzelnen Ländern Gemeinde
vermittlungsämter geschaffen worden. In Vorarl
berg geschah dies 1909. 301 Die Vermittlungsämter
bestehen «mindestens aus drei Vertrauensmännern
nebst einem Ersatzmanne, welche vom Landesaus-
schusse nach Anhörung der betreffenden Gemein
den aus den Mitgliedern derselben gewählt wer
den». 302 Die Vermittlungsämter sind zuständig für
die Vornahme von Vergleichs- und Sühneversuchen
und für den Abschluss von Vergleichen zwischen
streitenden Parteien in bürgerlichen Rechtsangele
genheiten. Die genannten Gesetze sind noch in
Kraft, werden aber so gut wie nicht praktiziert. 303
297) Vgl. dazu Angehrn, S. 272 f. ; Sadoghi, S. 260-265;
298) Vgl. dazu auch: Kross, S. 107-116.
299) Vgl. dazu: Sadoghi, S. 19 f.; Schöffen und Geschworene.
300) Gesetz vom 21. September 1869 über die Erfordernisse der
Executionsfähigkeit der vor Vertrauensmännern aus der Gemeinde
abgeschlossenen Vergleiche und über die von denselben zu entrich
tenden Gebühren, Reichsgesetzblatt Nr. 150 und Gesetz vom 27.
Februar 1907, womit Bestimmungen des Gesetzes vom 21. Septem
ber 1869, Reichsgesetzblatt Nr. 150, abgeändert und ergänzt wer
den, Reichsgesetzblatt Nr. 59.
301) Gesetz vom 15. September 1909 über die Gemeindevermitt
lungsämter, Landesgesetzblatt Nr. 158/1909, Fassung LGB1.
105/1920 und LGB1. 2/1930.
302) Ebenda, § 2.
303) Auskunft von Herbert Wille, Liechtenstein-Institut, 22. August
2008.