Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2009) (108)

DAS KRIEGSENDE 1918 IN LIECHTENSTEIN UND SEINE AUSWIRKUNGEN / RUPERT QUADERER den Vorschlag, Liechtenstein solle sein Gesuch um Lieferung von Lebensmitteln aus der Schweiz direkt an den französischen Botschafter in Bern richten.78 Dieser Empfehlung folgend, legte die liechtensteini- sche Regierung der französischen Botschaft in Bern «zu Händen Frankreichs und seiner Verbündeten» am 12. Dezember 1918 die Bitte vor, dem schweize- rischen Bundesrat «die Lieferung von Lebens- und Bedarfsartikeln (Getreide oder Mehl, Reis, Fett, Klei- dungsstoffe, Kaffee, Zündhölzer etz.) nach Liechten- stein zu gestatten».79 In der Begründung des Gesu- ches betonte Regierungsrat Wilhelm Beck einlei- tend, dass Liechtenstein «bekanntlich» ein neutra- ler Staat an der Ostgrenze der Schweiz sei, welcher weder «direkt noch indirekt» am Krieg teilgenom- men habe. Zur allgemeinen Versorgungslage Liech- tensteins hielt Beck fest, dass die einheimische Ern- te zur Ernährung der zirka 8400 Einwohnerinnen und Einwohner «lange nicht» hinreiche und Liech- tenstein sich «von jeher» mit Importen habe behel- fen müssen. Die aktuelle Situation schilderte Beck auf drastische Weise mit dem Hinweis, dass der letz- te Mehlvorrat des Landes bis Neujahr erschöpft sei und «die Versorgung vor einer Katastrophe [stehe], wenn sie nicht baldigst gesichert werden» könne. Die liechtensteinische Regierung erklärte sich auch im Voraus bereit, eventuelle Weisungen, welche von der Entente als Voraussetzung für die Lebensmittel- lieferungen gegeben würden, zu akzeptieren und einzuhalten. Als Kompensationsartikel bot Liech- tenstein die Lieferung von 6000 bis 8000 m3 Holz an. Am 13. Dezember 1918 informierte die liechten- steinische Regierung den Schweizerischen Bundes- rat über die Note an die französische Botschaft in Bern.80 Das Schweizerische Politische Departement reagierte umgehend und erklärte, seine Dienste für die «Verproviantierung Liechtensteins» zur Verfü- gung zu stellen und gab der Freude Ausdruck, «in die Lage versetzt zu werden, dem befreundeten nachbarlichen Staate nützlich zu sein».81 Bereits am 17. Dezember 1918 - Prinz Karl war am 13. Dezember zum Landesverweser bestellt worden - wurden Regierungsrat Wilhelm Beck und Forstverwalter Julius Hartmann vom Landesverwe- ser ermächtigt, beim schweizerischen Bundesrat in 
Bern im Auftrag der liechtensteinischen Regierung Verhandlungen wegen des Bezuges von Lebensmit- teln für Liechtenstein und wegen der Leistung von Kompensationsangeboten aufzunehmen.82 Vom 18. bis 20. Dezember begab sich die zweite liechtenstei- nische Mission, der Landesverweser Karl von Liech- tenstein, Regierungsrat Wilhelm Beck und Forstver- walter Julius Hartmann angehörten, nach Bern.S3 Die Delegation kehrte allerdings zurück, ohne gros- se Veränderungen in der Haltung der Schweiz er- reicht zu haben, wie aus einem Bericht an den Fürs- ten hervorgeht.84 Von Seiten des schweizerischen Bundesrates erfolgten bei den geführten Gesprä- chen keine definitiven Zusagen, da dieser immer noch die Zustimmung der Entente abwartete, die er in etwa zehn Tagen zu erhalten hoffte. Am 4. Januar 1919 meldeten die «Oberrheini- schen Nachrichten»: «Endlich haben mit Note der französischen Regierung vom 28. Dezember 1918 an Dr. Wilhelm Beck die Alliierten die Einwilligung erteilt, dass die Schweiz Liechtenstein unter den gleichen Bedingungen versorge wie Vorarlberg».85 Die «Oberrheinischen Nachrichten» betonten, dass Liechtenstein «heute ob der Entente froh sein» müsse, trotz der «ententefeindlichen Gesinnung ge- wisser Flerrschaften».86 Die Regierung stattete Wil- 78) LLA SF Lebensmittelversorgung 13.9/1918/5223 ad 1,4. Dezem- ber 1918; Grünenfelder an Regierung. 79) LLA SF Lebensmittelversorgung 13.9/1918/5294, 12. Dezember 1918; Regierung (Wilhelm Beck) an französische Botschaft in Bern. 80) LLA SF Lebensmittelversorgung 13.9/1918/5294, 13. Dezember 1918; Regierung (Wilhelm Beck) an Schweizerischen Bundesrat. 81) LLA SF Lebensmittelversorgung 13.9/1918/5453 ad 1, 18. Dezember 1918; Schweizerisches Politisches Departement (Charles Lardy) an liechtensteinische Regierung. 82) LLA SF Lebensmittelversorgung 13.7/1918/5356, 17. Dezember 1918. 83) So berichtete Wilhelm Beck in einem Überblick «Zur Lebensmit- tel-Versorgung» in den «Oberrheinischen Nachrichten» 3/18. Januar 1919. 84) LLA SF Lebensmittelversorgung 13.9/1918/5458, 24. Dezember 1918: Regierung an Fürst. 85) ON Nr. 1/4. Januar 1919. 86) ON Nr. 2/11. Januar 1919. 45
	        

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