Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2009) (108)

der zum weiteren Aufstieg der Familie beitrug: Der Erwerb der Grafschaft Vaduz und der Herrschaft Schellenberg. Die Grafschaft Vaduz entstand 1342 bei einer Erbteilung der Grafen von Werdenberg. 1379 ver- lieh der Römische König Wenzel aus dem Haus Lu- xemburg dem Grafen Heinrich von Werdenberg die Gerichtsbarkeit, 1396 bestätigte der König auch die Reichsunmittelbarkeit. Nach den Grafen von Wer- denberg hatten im 15. Jahrhundert die Freiherrn von Brandis Vaduz in ihrem Besitz. Ihnen gelang zu- sätzlich der Erwerb der Herrschaft Schellenberg, womit sich die bis heute bestehenden Grenzen ge- festigt hatten. 1510 kauften die Grafen von Sulz die beiden Herrschaften.22 Nachdem sich die Grafen von Sulz hoch verschul- det hatten, verkauften sie im Jahr 1613 die beiden Herrschaften an Graf Kaspar von Hohenems um die unglaublich hohe Summe von 200 000 Gulden,23 die den mageren Erträgen von Vaduz und Schellenberg in der Höhe von ungefähr 6500 Gulden im Jahr in keiner Relation gegenüberstand.24 Diesen hohen Preis konnten die bankrotten Verkäufer nur deshalb erhalten, weil Vaduz und Schellenberg auch bei an- deren Adelsgeschlechtern und vor allem den Habs- burgern sehr begehrt waren. Vaduz und Schellen- berg boten nicht nur durch ihre Lage auf einem spa- nischen Truppentransportweg eine zusätzliche Ein- kommensmöglichkeit, sondern waren auch von strategischer Bedeutung. Die Habsburger überleg- ten den Erwerb als sicheres Bollwerk gegen die Schweizer Eidgenossen, waren finanziell dazu aber nicht in der Lage. Die Hohenems als Käufer stellten für die Habsburger aber keine Gefährdung ihrer Grenzpolitik dar, weil diese sich bereits durch ihre Treue zum Haus Habsburg sowie zum Königreich Spanien und durch den Verbleib beim katholischen Glauben durch lange Zeit bewährt hatten. Das machte den Erwerb von Vaduz und Schellenberg für die Hohenems erst möglich, denn es war den Habs- burgern bewusst, dass sie der Familie somit eine Vormachtstellung in den Tiroler Vorlanden und eine weitgehende Kontrolle des rechten Rheintals von Graubünden bis zum Bodensee zugestanden. Die Hohenems waren nun durch diese wichtigen Pass-strassen 
in der Folge Profiteure des Dreissigjähri- gen Krieges. Ausser den Truppendurchzügen ver- dienten die Grafen von Hohenems auch an den Win- terquartieren der Soldaten in ihren Territorien. Zusätzliche Bedeutung erlangte diese Route des Camino Espanol, als es am Rande des Dreissigjähri- gen Krieges zu Unruhen in Graubünden kam. 1620 erhoben sich die im Veltlin ansässigen Katholiken gegen die benachbarten Protestanten. Der Kaiser erkannte gemeinsam mit dem König von Spanien die Gelegenheit, sich auch diesen Teil des wichtigen Militärkorridors von Mailand nach Norden zu si- chern und unterstützte die Katholiken im Veltlin mit kaiserlich-spanischen Truppen. Das führte zur Er- mordung von etwa 600 protestantischen Familien im Veltlin und in weitere Folge zu immer grösser werdendem Widerstand der Schweizer Eidgenos- sen gegenüber allen Habsburgern. Nach der Erobe- rung dieses Tales wurde auch dieser Abschnitt des Camino Espanol von den Habsburgern und Spa- niern befestigt und ausgebaut, um weitere Truppen- transporte zu erleichtern.25 Auf diese Weise wurde diese Militärroute von Mailand über das Veltlin und in Folge Tirol bis zum Bodensee und weiter ins El- sass bis in die Pfalz und nach Flandern verlängert. So war das weiter östlich verlagerte habsburgische Kommunikationssystem im Dreieck Spanien-Öster- reich-Spanische Niederlande komplett.26 Zu diesem Zeitpunkt marschierten der grösste Teil der Söldner einerseits durch Tirol und die Vorlande und ande- rerseits durch Graubünden und das Rheintal in den Tiroler Vorlanden. In den Jahren 1633 und 1634 durchzogen jeweils 12 000 Soldaten und 1500 Rei- tern diese Gebiete. Insgesamt kann man in der ers- ten Hälfte des 17. Jahrhunderts von schätzungswei- se 50 000 Soldaten sprechen, die durch Tirol und die Vorlande marschierten.27 Dadurch befanden sich Vaduz und Schellenberg plötzlich im Mittelpunkt der europäischen Politik und mussten alle Konse- quenzen derselben mittragen und erleiden. 190
	        

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