Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2009) (108)

Der Gebrauch der Urbare Als weiterer Unterschied zwischen den beiden Urbaren ist auch die unterschiedliche Wertung des Personalprinzips zu nennen, welche sich aufgrund der Beschreibungsabfolge der Lehensobjekte er- schliessen lässt. Das brandisische Urbar beginnt je- weils mit der Nennung des Lehensträgers und lässt dessen Namen eine Titelfunktion zukommen.10' Demgegenüber stehen im sulzisch-hohenemsischen Urbar die Lehensobjekte im Vordergrund. Der je- weilige Lehensträger wird erst am Schluss des Le- hens mit den Worten «gibt jetzt» eingeleitet.102 Bei der Lokalisierung der einzelnen Lehensob- jekte fällt auf, dass diese im brandisischen Urbar sehr sorgfältig vorgenommen wurde. Im sulzisch- hohenemsischen Urbar stehen weniger die jeweili- gen Anstösser im Vordergrund als vielmehr die ein- zelnen Lehensobjekte. Auch hier verliert das Perso- nalprinzip an Bedeutung. Anstösser werden selte- ner genannt und Personennamen weniger zur Loka- lisierung herbeigezogen. Auffallend ist auch, dass vorwiegend diejenigen Anstösserbezeichnungen aus dem brandisischen Urbar übernommen wur- den, welche nicht durch Personennamen, sondern durch Gassen, Strassen oder Herrschaftsbesitz cha- rakterisiert sind.103 Einzelne Personennamen werden für das sul- zisch-hohenemsische Urbar direkt aus dem bran- disischen Urbar übernommen, sei es zur Bezeich- nung von Lehensobjekten, Lehensträgern oder An- stössern.104 Bei solchen Übernahmen ging es ganz offensichtlich nicht um einen möglichst hohen Ak- tualitätsgrad, sondern um eine eindeutige Verknüp- fung der Lehensobjekte mit den entsprechenden Le- hen im brandisischen Urbar und damit verbunden um die Durchsetzung der eigenen Herrschaftsan- sprüche.105 Den Abgabeeinheiten wird im sulzisch-hohen- emsischen Urbar durch die formale, fast tabellari- sche Hervorhebung eine grössere Bedeutung zuge- messen. Systematisch erscheint hier an erster Stelle die Geldabgabe, gefolgt von der Naturalabgabe. 
Einen ersten Hinweis auf den Gebrauch der unter- suchten Urbare geben bereits ihr Inhalt und ihre Struktur. Das in heutiger Form vorliegende brandi- sische Urbar enthält vorwiegend Pflichten der Le- hensträger (Abgaben), Weinbauern (Winzerstatu- ten), Untertanen (Frondienste) und Zöllner (Zöllne- reid). Die Pflichten der Lehensträger finden sich grösstenteils in Form von Abgaben verstreut bei den einzelnen Güterbeschreibungen, welche den gröss- ten Teil des Urbars ausmachen. URBARHERSTELLUNG UND -ERNEUERUNG Bei der Herstellung des sulzisch-hohenemsischen Urbars wurde dem Urbar als Verwaltungsschriftgut ein höherer Stellenwert beigemessen. Dies zeigt sich durch das zweispaltige Layout, welches für Nachträge und Randnotizen konzipiert war.106 Zu- dem wurde durch die Integrierung von Rubriken wie «Reichsgrafschaft», «Freiheit fremder Gerich- te», «Öffnung» etc. die Grafschaft in den grösseren Kontext des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation gestellt. Eine Vereinbarung bestand somit nicht mehr nur zwischen Landesherrn und Unterta- nen, sondern auch zwischen Reich und Landes- herrn. Mit dieser schriftlichen Fixierung der An- sprüche hatten die Grafen von Sulz ein Instrument in Händen, auf das in Konfliktfällen zurückgegriffen werden konnte. Sowohl für den Landesherrn als 101) Ein Lehenskomplex unter der Rubrik Schaan beginnt mit den Worten: «Uolrich zur Aich, leiten träger, hat inn dise 11 stucki huobgueter, die Hans Zeller vor gehebt hat, und sol 6 ballen in der rod fertgen.» Daran anschliessend folgt das Lehensobjekt und der Zins, LUB 1/4, S. 35 f./285 f. 102) Der in Anm. 101 erwähnte Lehenskomplex wird unter den Schupflehen in Schaan erwähnt. Nach der Beschreibung des Lehens und dem Zins wird der Lehensträger genannt: «Gibt iezt Adam Negelin forst knecht undt mithaften. N. B.: Zünset iezt Fridle Ruesch und consorten», LLA Vaduz, AM 1, fol. 19v, resp. LUB 1/4, S. 39/369. 103) Die Lokalisierung im brandisischen Urbar lautet: «stost abwerrt dem land nach an Tugs gassen, gern berg werrt an der fruemess guot, ufwert dem landnach an Ruodolff Gassentzers wybs guot, gern Ryn wort an Sigmund Traczbergers guot», LUB 1/4, S. 41/292. Im sulzisch-hohenemsischen Urbar wird dazu lediglich notiert: «ob der Bildgassen an Dux gassen», LUB 1/4, S. 74/404. 148
	        

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