Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2009) (108)

det» und rief zur Rückkehr auf den Arbeitsplatz auf, da «Auflehnung und Zwiespalt uns dem Untergang» zuführten. - Die Streikenden fanden sich an diesem Abend im Churer Volkshaus in überaus grosser Zahl zu einer Streikversammlung zusammen. Es waren zirka 600 Arbeiter anwesend. Sie beschlossen ein- stimmig, in Chur weiterzustreiken, wenn nicht die bedingungslose Freigabe der inhaftierten Genossen erfolge. Rasch verfügte das Platzkommando darauf- hin die Aufhebung der starken militärischen Bewa- chung des Volkshauses und die Freilassung der in- haftierten Genossen und gab die Zusicherung ab, dass keine Massregelungen ergriffen würden. Auf Mitternacht hin gab dann das Streikkomitee die Be- endigung des Landesstreiks in Graubünden be- Bundesrat Felix Calonder von Trin (1863-1952). 
kannt. Gegen zahlreiche Streikende wurden aber in der Folge - trotz anderslautender anfänglicher Ver- sprechen - Prozesse geführt und Massregelungen getroffen, so insbesondere gegen Mitarbeiter der RhB; hier wurde eine Reihe von Leuten strafversetzt und entlassen, die in der darauffolgenden Zeit der Arbeitslosigkeit bittere Not litten. Zur Zielscheibe von teils perfiden Angriffen wurden ferner die Streikführer und Rechtsanwälte Christian Hitz-Bay und Moses Silberroth sowie der Churer Stadtpfarrer Stefan Martig; dieser hatte zwar seine Sympathien für die Arbeiterschaft klar bekundet, sich aber ver- mittelnd ins Streikgeschehen eingeschaltet und vor allem erreicht, dass es von Seiten der Streikenden zu keinen Gewaltaktionen kam. - In ähnlichem Sin- ne wie Martig hatte sich auch der Bündner Leon- hard Ragaz, Professor der Theologie in Zürich, zum Landesstreik verhalten.6 In seiner «Erklärung zum Generalstreik» am 14. November 1918 im «Volks- recht» vertrat er ein «religiöses Nein zur herr- schenden Ordnung», plädierte für eine grund- sätzliche Neuorientierung des sozialen Lebens und setzte sich gegen den «Geist der Gewalt» ein. BUNDESRAT FELIX CALONDER,DER VÖLKERBUND UND DIE VORARLBEBGEB FRAGE In den Jahren 1818 bis 1920 beschäftigte die Frage der Gründung einer Völkerorganisation, welche den Frieden sichern und weitere Weltkriege verhindern sollte, die globale und die schweizerische Politik. Der Bundesrat war gewillt, in diesem Prozess eine aktive Rolle zu spielen und sich auch um den Sitz der neuen Organisation zu bewerben. Bundespräsident 1918 war der Bündner, aus Trin stammende, frei- sinnige und romanischsprachige Dr. Felix Calonder (1863-1952). Er hatte in den beiden Jahren 1918 und 1919 auch das Aussenministerium inne. Ihm gelang es in kurzer Zeit (1919), sowohl die Botschaft für 
den Eintritt der Schweiz in den Völkerbund zu verfassen als auch das ganze parlamentarische Ver- fahren durch beide Kammern zu bringen. Nach Ca- londer sollte die Schweiz «einerseits die Anfor- 118
	        

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