Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2008) (107)

natsmädchen die täglich stattfindende, frühmor- gendliche Messe zu besuchen. Am Sonntag gab es neben dem Hauptgottesdienst abends nochmals eine Vesper.79 Ganz im Sinne der sozialen Gleichheit kontrol- lierten die Schwestern die «Päckli», die die internen Schülerinnen von den Eltern oder Verwandten zu- geschickt bekamen. Die Süssigkeiten waren auf 50 Gramm pro Woche rationiert. «Schleckwaren», die dieses Gewicht überstiegen, wurden dem betreffen- den Mädchen abgenommen und an die anderen ver- teilt. Wer zudem die aufgestellten Regeln nicht be- folgte, dem drohte Süssigkeitenentzug und das Ver- bot zur Heimreise am Monatswochenende.80 Grossen Wert legte man an der Schule auf die Gleichheit von reicheren und ärmeren Schülerin- nen. Wie an vergleichbaren Schulen auch trugen die Mädchen eine Art Uniform. In den ersten Jahren der Höheren Töchterschule war dies eine schwarze Schürze mit Ärmeln und Kragen. Die Schülerinnen fühlten sich in diesem Kleidungsstück wie junge Novizinnen und waren auch vom Aussehen her nicht wesentlich von ihnen zu unterscheiden.81 Die schwarze Schürze wurde später von einer fröhliche- ren blauen und einem Beret abgelöst, an das dem Jahrgang der Klassen entsprechend ein unter- schiedlich farbiges Bändchen angebracht war. Die Schülerinnen des Internats trugen zudem am Sonn- tag ihre Festtagsuniform, bestehend aus einem blauen Rock und einer weissen Bluse, die sie sich am Institut selbst genäht hatten.82 Die hier beschriebene Strenge der Schwestern am Institut St. Elisabeth muss in zweifacher Weise relativiert werden. Zum einen entsprach sie dem da- maligen Zeitgeist und den bestehenden konservati- ven Verhältnissen Liechtensteins. Die Elternhäuser vieler Mädchen waren nicht weniger streng und konservativ eingestellt und standen in Fragen der Zucht und Ordnung den Institutsschwestern in nichts nach. Der Widerspruch von Seiten der Schü- lerinnen blieb aus. Sicher hatten die Schwestern in den Augen der Mädchen teilweise zu strenge Re- geln, sie lebten jedoch in einer Zeit, in der sie gelernt hatten, gehorsam zu sein und kein aufmüpfiges Ver- halten zu zeigen. 
Zum anderen gaben die Schwestern nur das wei- ter, was sie selbst zu befolgen hatten. Durch die Kon- gregationsregeln war ihr Leben selbst durch und durch organisiert und strukturiert. Folglich enthielt es kaum Platz für persönliche Freiräume. Die ihnen beigebrachte Disziplin und Aufrechterhaltung der Ordnung gaben sie an ihre Schülerinnen weiter. Die Lehrerinnen der Kongregation «müssen die beste Art und Weise studieren und anwenden, um zu er- reichen, dass die Schülerinnen sie lieben und zu- gleich fürchten; sie verlangen Gehorsam und Ach- tung ... und wachen über ihre Bescheidenheit und Eingezogenheit».83 Die Schule und das Kloster - ob- wohl bis 1957 noch im gleichen Gebäude unterge- bracht - lagen räumlich getrennt voneinander. Die Schule befand sich im Südteil des Gebäudes, wäh- rend das Kloster in der Nordhälfte beheimatet war und von den Schülerinnen unter keinen Umständen betreten werden durfte.84 Den Lehrerinnen war es in ihren Konstitutionen verboten, die Mädchen zu schlagen oder sonst «un- passende Züchtigungen»85 zu verwenden. So gese- hen erlebten die Schülerinnen am Institut St. Elisa- beth eine wohlbehütete Welt ohne körperliche Züchtigung. Die ehemaligen «Instituts-Töchter» an- erkennen, wie Gespräche zeigen, die Hierarchie und den Druck, unter dem die Schwestern selbst stan- den, durchaus und können sie in dem Sinne richtig einordnen, als dass sie manche damaligen Verhal- tensweisen verschiedener Schwestern heute nicht als Böswilligkeit ihnen gegenüber werten.86 22
	        

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