Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2008) (107)

BESTÜNDE DIESE SCHULE NICHT, MÜSSTE SIE GESCHAFFEN WERDEN / MARTINA SOCHIN OBERSTES GESETZ: DISZIPLIN GEHT ÜBER ALLES Die Schulordnung Liechtensteins aus dem Jahr 1951 war nicht nur eine die Schule betreffende Ord- nung, sondern gewissermassen ein Jugendschutz- gesetz. Diese Ordnung reglementierte nicht nur das Schulleben in organisatorischer und privater Hin- sicht, sondern griff auch in weite Teile des Privatle- bens ein. Der Besuch der Schüler an den Schulgot- tesdiensten war verpflichtend. Nach Eintritt der Dunkelheit war es den Schulkindern verboten, sich ohne Begleitung ihrer Angehörigen auf der Strasse herumzutreiben, wie auch das freizeitliche Baden in der Schulordnung geregelt wurde. Die Mitglied- schaft von liechtensteinischen Schülern in Vereinen unterstand ebenso der die Schule betreffenden Ord- nung. Fortbildungsschulpflichtigen war die Mitwir- kung in Vereinen gestattet, jüngeren hingegen nicht. Verboten blieb «die Teilnahme an Tanzunterhaltun- gen, der Besuch von Kinos, Varietes und anderen für die Jugend nicht geeigneten Unterhaltungen».52 Be- willigungen für den Besuch von Kinos erteilte der Gemeindeschulrat oder der Landesschulrat nur aus- nahmsweise.53 Die Schülerinnensatzung des Instituts St. Elisa- beth, die in jedem Zeugnis in gedruckter Form vor- zufinden war, hielt sich insofern an die Schulord- nung des Landes, als dass das Verhalten der Schüle- rinnen sowohl im inner- als auch ausserschulischen Bereich geregelt wurde. Um der Vergesslichkeit und Oberflächlichkeit der Schülerinnen vorzubeugen, hatte sich jede Schülerin in stets «geziemender Klei- dung» und mit den notwendigen Büchern und Hilfs- mitteln versehen in der Unterrichtsstunde einzufin- den.54 Die stets auf Anstand bedachte Kleidungs- wahl hinterliess bei den ehemaligen Schülerinnen einen bleibenden Eindruck. So durften die Schüle- rinnen ausnahmslos nur mit Röcken zur Schule kommen, Hosen waren für die Mädchen verboten. Für den Winter konnten die Eltern dank mehrerer Gespräche die Schwestern dazu bewegen, dass die Mädchen für den Schulweg Hosen tragen und sich anschliessend in der Garderobe der Klosterschule für den Unterricht umziehen konnten.55 Der Rock 
hatte zudem eine bestimmte Länge vorzuweisen: Beim Knien hatte der Saum mindestens den Boden zu berühren. «Einmal teilten die Schwestern meiner Mutter in einem meiner Zeugnisse mit, dass meine Röcke zu kurz seien und meine Mutter wurde da- raufhin sehr wütend, da es sich höchstens um einen halben bis einen ganzen Zentimeter gehandelt hat», kann sich eine Schülerin, die Ende der 1960er Jahre das Institut besuchte, erinnern.56 Strumpfhosen hat- ten klar ersichtliche Nähte vorzuweisen damit man auch aus weiterer Distanz erkennen konnte, dass die Mädchen nicht «nackt» waren.57 Ärmellose Klei- der waren in gleichem Masse verpönt wie offen ge- tragene Haare, was von den Schwestern als Scham- losigkeit taxiert wurde.58 Schülerinnen, die das Institut St. Elisabeth be- suchten, erinnern sich an eine strenge, von vielen Regeln geprägte Zeit, betonen aber im gleichen Atemzug, dass die Verhältnisse, in denen sie ausser- halb der Schule gelebt hätten, nicht viel weniger streng gewesen seien, womit die strenge Disziplin am Institut in einem milderen Licht erscheint. Mit «streng» meinen die ehemaligen Schülerinnen aber auch vielfach die schulischen Leistungen, die sie er- bringen mussten und für die sie oft lange gelernt und gearbeitet hatten. Im patriarchalisch, katho- lisch geprägten Liechtenstein der 1950er und 1960er Jahre hatte das Aufmucken der Kinder und Schüler noch nicht Einzug gehalten. Dass die zu 52) Art. 10 der Schulordnung vom LGB1. 1951 Nr. 2. 53) Ebenda. 54) Schülerinnensatzung des Institutes St. Elisabeth, Schaan, A. Inner- halb der Schule. Paragraph 1. 55) Interview mit Frau B. und Frau C. vom 28. September 2006 (Frau B. und Frau C. besuchten das Institut St. Elisabeth Mitte der 1940er Jahre); Interview mit Frau H. vom 16. September 2006 (Frau II. besuchte das Institut St. Elisabeth Mitte der 1950er Jahre). 56) Interview mit Frau L. vom 20. Mai 2006 (Frau L. besuchte das In- stitut St. Elisabeth Mitte der 1960er Jahre). Auf die Rocklänge kamen durchwegs alle Interviewpartnerinnen von sich aus zu sprechen. 57) Gespräch mit Frau Q. vom 24. November 2007. 58) Interview mit Frau K. vom 7. April 2006 (Frau K. besuchte das In- stitut St. Elisabeth Mitte der 1960er Jahre). 17
	        

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