Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2008) (107)

BESTÜNDE DIESE SCHULE NICHT, MÜSSTE SIE GESCHAFFEN WERDEN / MARTINA SOCHIN «Eine gut geführte Töchtern- schule kann sich für das Land nur segensreich auswirken» DIE JAHRE VON 1946 BIS 1973 DIE RASANTE ENTWICKLUNG DER HÖHEREN TÖCHTERSCHULE «Der Landesschulrat ist grundsätzlich mit der Über- führung des Gymnasiums in eine höhere Töchter- schule ... einverstanden ...».17 - Mit der Schliessung des Mädchengymnasiums und der Eröffnung einer Höheren Töchterschule im Frühling 1946 begann eine Ära des Erfolgs am Institut St. Elisabeth. Die Jahre von 1942 bis 1946 hatten den Schwestern gezeigt, dass ein Gymnasium für Mädchen zum momentanen Zeitpunkt in Liechtenstein keine Entwicklungschan- cen besass und sie selbst von den geringen Schüle- rinnenzahlen nicht leben konnten. Mit dem Modell einer Höheren Töchterschule, das nicht mehr eine Heranbildung der Mädchen zu Akademikerinnen, sondern die Vermittlung «ehrlicher Grundwerte» her- anzog, sollte dies anders werden. «Der weit überwiegende Mittelstand verlangte für seine Töchter gründliche Allgemeinbildung, kauf- männische Ertüchtigung für das Geschäft und dazu umfassende hauswirtschaftliche Kenntnisse. Die künftigen Frauen Liechtensteins sollten den wirt- schaftlichen Umschwung vom Ackerbau zur Industrie und die damit verbundene gesellschaftliche Um- schichtung ohne Schaden vollziehen. Sie sollten tüchtige Geschäftsfrauen werden und sich im Haus- halt ebenso daheim fühlen wie im Büro. Diese Er- wägung, die aus den Erfahrungen der Vergangenheit die Zukunft plante, liess den Lehrplan der Höheren Töchterschule St. Elisabeth reifen.»18 Dass die Zeiten sich geändert hatten, zeigte sich auch am Wohlwollen, das der Landesschulrat dem Projekt Höhere Töchterschule entgegenbrachte. Hat- te er bei der Gründung des Gymnasiums noch Be- denken angebracht, dass die Neueröffnung von den Landesschulen Schülerinnen abziehen könnte, trug die Entwicklung an den staatlichen Realschulen nun dazu bei, dass dies nicht mehr der Fall war.19 Der Lehrplan der Höheren Töchterschule hatte nach den Bestimmungen des Privatunterrichtes im Schulgesetz von 1929 mindestens dem Bildungsniveau der liech- tensteinischen Volksschulen nachzukommen, worin die zuständigen Behörden aber keinerlei Problem sa- hen.20 Auch im Rechenschaftsbericht der Regierung 
vermerkte man die Umbildung der Schule zu einer Höheren Töchterschule mit Genugtuung, denn eine «gut geführte Töchternschule [sie!] kann sich für un- ser Land nur segensreich auswirken und ist bestimmt eine bessere Lösung als die Führung eines Mäd- chengymnasiums».21 Wer die fünfte Klasse der Primarschule und eine Aufnahmeprüfung erfolgreich abgeschlossen hatte, konnte in den einjährigen Vorkurs der Höheren Töch- terschule aufgenommen werden. Nach dieser Vor- bereitungsklasse oder dem Bestehen einer Aufnah- meprüfung traten die Mädchen in die vier Jahre dau- ernde Höhere Töchterschule ein.22 Die Durchfallquote bei den Aufnahmeprüfungen war hoch, jeweils etwa ein Drittel der Mädchen wurde nicht ans Institut St. Elisabeth aufgenommen.23 Entwickelte sich die Anzahl Schülerinnen am Ins- titutin den Anfangsjahren der Höheren Töchterschu- le noch schleppend, so muss ab Mitte der 1950er Jah- re von einer regelrechten Boomphase gesprochen 17) Liechtensteinisches Landesarchiv (LLA), HF 237/021. Landes- schulrat an St. Elisabeth-Institut. 8. Februar 1946. 18) Alma Pia Spieler, Wenn das Weizenkorn stirbt, Die Geschichte der Anbeterinnen des Blutes Christi. Provinz Schaan, Liechtenstein 1908 bis 1991, Freiburg. 1991, S. 292. 19) LLA, PiF 237/021, Pfarrer Anton Frommelt an Landesschulrat, 15. Februar 1946. 20) LGB1. 1929 Nr. 13, Art. 98. 21) Rechenschaftsbericht der Regierung (RBR) 1945, S. 73. 22) Provinzarchiv Schaan (PAS), Klassenlisten Schuljahr 1946/47 bis 1975/76. Aus den Klassenlisten ist ersichtlich, dass bis zum Schuljahr 1954/55 auch einzelne Volksschulklassen am Institut besucht werden konnten. Das heisst, dass einzelne Schülerinnen anstatt der normalen Volksschule den ihrem Jahrgang entsprechenden Privatunterricht am Institut besuchten. Siehe dazu RBR 1949. S. 112; RBR 1950, S. 112. 23) Siehe die Berichte zu den Aufnahmeprüfungen: LLA, V 102/0112, Berichte über die Aufnahmeprüfungen 1960 bis 1969; LLA, V 102/0111, Bericht über Aufnahmeprüfung 1970; LLA, V 102/110. Er- gebnisse der Aufnahmeprüfung 1971. 9
	        

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