Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2008) (107)

Pu Yis «Ich war Kaiser von China» oder Jung Changs «Wilde Schwäne», aktuell etwa Grass' «Häutung der Zwiebel», Joachim Fests «Ich nicht» oder Gerhard Schröders «Entscheidungen, Mein Leben in der Po- litik». Aber Memoiren in der Miniwelt Liechtensteins? Es gibt schon welche: Prinz Eduard von Liechten- stein schrieb den «Weg Liechtensteins von Öster- reich zur Schweiz» (1946), Herbert Uhl «Dreimal Brandenburger Tor» (1990), Graf Artur von Strach- witz «Wie es wirklich war, Erinnerungen eines Acht- zigjährigen» (1991), Xaver Frick «Für Liechtenstein im Einsatz als Botschafter des Sports, Erinnerungen 1932 bis 1992» (1996). Kurze Autobiographien sind Johannes Tschuors «Erlebtes Dux» (1985) und Jo- hann Hiltys «Eine Jugend in Schaan» (1992), und eine Autobiographie ist eigentlich auch das Buch von Nadeshda Danilewitsch über Baron Eduard von Falz-Fein (2005). Unveröffentlichtes Manuskript blieb «Sturm im Wasserglas» von Carl von Vogelsang (1937). Zahlreiche kurze Teil-Autobiographien sind in verschiedenen Beiträgen lokaler Publikationen erschienen, als Beispiel sei etwa jene von Josef Frommelt erwähnt, in der er sein Aufwachsen in den Krisen- und Kriegsjahren in Triesen schildert (in: (Menschen, Bilder und Geschichten), Band II, Mau- ren 2007). Nicht wenige Erinnerungsschriften liegen gewiss in privaten Schubladen. Der ehemalige Re- gierungschef Josef Hoop freilich verbrannte seine Aufzeichnungen. Nun hat mit Walter Kieber erstmals ein liechten- steinischer Regierungschef Memoiren veröffentlicht. Dazu brauchte er in der hiesigen Parteien- und Per- sonenlandschaft einigen Mut. Ein früherer Regie- rungsmann habe ihm denn vorab gesagt: «Du spinnst, ein Buch veröffentlichen, das ist viel zu früh!» Er hat es 2006 doch getan. Allerdings hat er seit 1980, dem Ende seiner Regierungstätigkeit, ein Vierteljahrhundert gewartet. Walter Kieber hat seine Erinnerungen während vier Jahren ohne Ghostwri- ter selber geschrieben, gefeilt, gekürzt, auch Anre- gungen von zur Sanftmut ratenden Freunden be- herzigt. Im Vorwort des Buches sagt Kieber: «Als Autor dieses Bandes sehe ich mich in der Rolle eines Er-zählers, 
der dem Leser ein Bild dessen gibt, was er dachte, tat, miterlebte und fühlte. ... Ich habe mich bemüht, die Wahrheit zu schreiben. Bei allem Bemü- hen ist es nur meine subjektive Wahrheit». Objektive Richtigkeit oder subjektive Färbung? Ein ernsthaftes Memoirenwerk verbindet beides. Walter Kieber stützt sich sowohl auf persönliche Erinnerung als auch auf weitere Quellen wie «jahrelange Tagebuch- eintragungen», Aufzeichnungen, Landtagsprotokolle, Rechenschaftsberichte, Landeszeitungen. WARUM ERINNERUNGEN PURLIZIEREN? Warum schreibt jemand Erinnerungen, zumal poli- tische, und macht sie dem Publikum zugänglich? Der Motive können viele sein. Klopfen wir sie zu Walter Kieber ab. Gewinninteresse? Nein (die Auflage be- trägt 750 Exemplare). Aktuelle politische Instru- mentalisierung? Nein. Rechtfertigung gegenüber Vorwürfen? Nein. Ehrgeiz, Selbstdarstellung? Nein - ja doch auch, Stolz auf Geleistetes ist spürbar. Per- sönliche Abrechnung? Nein - vielleicht da und dort. Verarbeitung von bitter Erlebtem? Ja, mehrmals, aber nicht überwiegend. Rechenschaft gegenüber der Öffentlichkeit und vor sich selbst? Ja, vor allem. Weitergabe von Wissen, Erfahrungen, Einsichten? Ja, dies vor allem. Vorsorgliche Zurechtrückung der Zeitgeschichte? Ja, gewiss auch, aus der Kenntnis dessen, der dabei war; Kieber versteht sein Buch als «Beitrag zur Zeitgeschichte». Auch möchte er, selber erstaunt, zeigen, «wie oft der Zufall» in seinem Le- bensgang gewirkt habe. Für alle Memoiren gilt über- dies: Sie sind Ergebnis eines Kraftakts, der das eigene Leben und Wirken in einen Sinnzusammen- hang zu fassen sucht. KRIEGS JUGEND, STUDIUM, POLITISCHE LEHRJAHRE Was erfährt man beim Lesen der 33 chronologisch geordneten Kapitel? Walter Kieber, 1931 geboren, Bürger von Schellenberg, verlebte seine Kindheit zuerst in Feldkirch, ab 1937 in Bregenz. Dort be- 100
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.