Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2007) (106)

anon-Theater einstieg82 - und endlich wieder, nach soviel Versteckspiel, seriöses Theater machte: «Ich hatte es mir zur Aufgabe gemacht», schrieb Fritz Schaie in seinem Konzessionsgesuch für das «Tria- non» vom 2. Januar 1918, «durch meine Mitarbeit diese Bühne, welche bisher nur der leichten Unter- haltung diente, zu einem ernsten Kunstinstitut zu machen. Werke erster Autoren wie: Strindberg ... Henrik Ibsen, Hermann Sudermann und Ludwig Fulda wurde zu diesem Zwecke erworben, Schau- spieler von Rang ... verpflichtet. Meine Bemühun- gen waren nicht erfolglos. Ludwig Fuldas <Lebens- schüleo verschaffte dem Theater einen großen künstlerischen und wirtschaftlichen Erfolg.»83 Wie die Zeitung «Der Montag Morgen» (11. April 1932) anekdotisch festhielt: «Im Eisenbahnzug zwischen Hamburg und Berlin kaufte Fritz Rotter dem gera- de an der Alster durchgefallenen Ludwig Fulda alle Aufführungsrechte seines <Lebensschülers> ab; er dichtete den Schluss um, brachte das Stück im <Tri- anon-Theater> heraus - es ging 375mal».84 Doch da erklärte die Theaterabteilung des Poli- zeipräsidiums in Berlin in einem ersten Schritt den «Beteiligungsvertrag», den Fritz Rotter mit dem Di- rektor des Trianon-Theaters, Arnim, abgeschlos- sen hatte und der ihm eine Mitverantwortung bei der Leitung des Hauses einräumte, für unzulässig - Fritz Schaie fehle die dafür notwendige behördli- che Konzession. Als Fritz Schaie offiziell um eine solche Konzession nachsuchte,85 erreichte das Poli- zeipräsidium ein mit «Mehrere Schauspieler» un- terzeichneter anonymer Brief, der antisemitisch geprägt war: Fritz Schaies «Empfehlungen» seien «nur seiner Confession und den damit verbunde- nen Beziehungen zu jüdischen Pressekreisen zu er- klären», er sei «ein durch und durch gewissenloser, haltloser Mensch» mit angeblich «ausschließlich homosexuellen Neigungen»; der Schlusssatz laute- te: «Es wäre ein Akt wi[.]der die guten Sitten, wenn sich Fritz Schaie durch jüdische Manipulationen in ein gutes Licht setzte, die Behörden täuschte und somit die Konzession doch bekommen würde. Mehrere Schauspieler». Darauf zögerte die Theaterabteilung des Berli- ner Polizeipräsidiums die Entscheidung hinaus und 
forderte - obwohl es sich nur um eine Konzessions- angelegenheit handelte - von überall her Akten an. Die Nachforschungen über die Brüder Schaie fasste die Theaterpolizei wie eine Anklage zusammen und legte diese nicht nur der Ablehnung des Kon- zessionsgesuchs zugrunde,86 sondern reichte sie am 20. Juni 1918 dem Königlichen Bezirkskom- mando V in Berlin ein,87 um so doch noch die Be- strafung von Fritz und Alfred Schaie zu erreichen - obwohl die beiden, auch nach Eingeständnis der Theaterabteilung, 1916 «durch Gerichtsbeschluss außer Verfolgung gesetzt und aus der Untersu- chungshaft entlassen»88 worden waren. Der Bericht hob als mutmassliche «Simulation» hervor, dass Alfred Schaie im Februar 1916 «an ei- nem Nervenleiden» erkrankt sein solle und Fritz Schaie im März 1916 «zur Beobachtung seines Gei- steszustandes von der Truppe dem Lazarett über- wiesen» worden war - bereits der «Kriegsgerichts- rat» habe dies als «auffällig» bezeichnet. Fritz Schaies Anwalt konnte, wie er in der November- Revolution 1918 gegenüber dem Arbeiter- und Sol- datenrat erklärte, darin nur noch eine «Denunziati- on»89 sehen. Die spanische Grippe, verbunden mit einer schwe- ren Lungenentzündung, «rettete» Fritz Schaie im Sommer 1918.90 Noch am 11. Oktober 1918 hatte «ein Schutzmann» Fritz Schaie «wegen angeblicher Kontrollentziehung» festnehmen91 wollen. Ohne die Revolution vom November 1918 wäre der Fall noch vor die «Ersatzbehörde» gekommen.92 Auf ihre Wei- se gehörten auch Fritz und Alfred Rotter, obwohl ih- nen die Front erspart geblieben war, zur <verlorenen Generation). Die ersehnte Konzession schien Fritz Schaie in der günstigen Stunde der November Revolution vom «Vollzugsrat des Arbeiter- und Soldatenrates Berlin» dann doch noch zu erhalten: «Ein völlig unbescholte- ner Mann, der... für einen Theaterleiter erforderliche Zuverlässigkeit, Sachkenntnis und materielle Grund- lage in hohem Masse besitzt, wurde völlig grundlos durch offenbare Rechtsbeugung in der Ausübung sei- nes Berufes gehindert; Spitzelwesen und Denunzian- tentum trieben dabei ihr bekanntes Spiel. Der vorlie- gende Einzelfall zeigt das Polizeisystem des gestürz- 90
	        

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