Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2007) (106)

tionellen Frauenbildern auch neue Darstellungen, auf denen Frauen mit Kurzhaarschnitt, rauchend und mit Hosen bekleidet, allein im Cafe sitzend oder selbstbewusst ein Bier bestellend zu sehen waren. Die «moderne» Frau wurde also wahrgenommen, sie blieb aber vorerst ein Phänomen der Werbung. Frauen galten gerade in den 1940er und 1950er Jahren in erster Linie als Hüterinnen des Familien- lebens, als liebende, fürsorgende, bescheidene und fromme Gattinnen, Mütter und Hausfrauen. Sie soll- ten davon überzeugt werden, dass allein in dieser Rolle ihre Bestimmung lag und sie nur darin Glück erfahren konnten. Als einzige Ausnahme galten Frauen, die sich für ein Leben in einem katholischen Orden entschieden, wo wiederum neben den reli- giösen Pflichten auch das Dienen und Pflegen oder Erziehen und Ausbilden im Vordergrund stand. AUCH FRAUEN SIND NICHT MEHR UNTERTANINNEN In den 1960er und 1970er Jahren war die Rolle der Frau viel seltener Thema im «In Christo». Vor allem seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil von 1962 bis 196557 konnte eine Normverschiebung und mehr Toleranz gegenüber Frauen festgestellt werden. All- gemein gilt, dass das Vatikanische Konzil auf Gesell- schaftsveränderungen und Zeitströmungen reagier- te, die in vielen christlichen Ländern längst Ge- wohnheit waren. Für Liechtenstein hingegen wage ich die These aufzustellen, dass erst das Konzil die Bereitschaft erzeugte, den Wandel der Zeit zur Kenntnis zu nehmen und die Veränderungen zu ak- zeptieren, bzw. Liechtenstein hatte erst auf die Be- schlüsse des Konzils reagiert und nicht auf die vor- hergegangenen gesellschaftlichen Veränderungen. Die Ehe wurde nun auch in Liechtenstein als gleichberechtigte Partnerschaft betrachtet.58 Die Frau als Untertanin des Ehemannes verschwand aus den Artikeln des «In Christo» gänzlich. Das The- ma Mutterschaft blieb zwar ein wichtiger Punkt, wurde aber nicht mehr so dominant hervorgeho- ben.59 Ende der 1950er Jahre erschien zum ersten Mal ein Artikel über Sexualaufklärung, der vor al-lem 
die jungen Frauen ansprechen sollte und das gesunde, reine Leben vor der Ehe pries. Sauberkeit, Reinheit und Frömmigkeit blieben weiterhin in ers- ter Linie Aufgabe und Pflicht der Frau. Themen wie Berufstätigkeit und Bildung wurden neu aufgenommen. Auch junge Mädchen sollten eine Berufsausbildung erhalten. An ihrer Rolle nach der Verehelichung änderte sich jedoch wenig. Auf die Unterordnung der Frau gegenüber ihrem Ehe- mann folgte das «sich ergänzen» und dem Ehemann wurde nun Demut gegenüber seiner Ehegattin nahe gelegt. Auch der Mann müsse sich seiner Fehler und Schwächen klarer werden.60 Ein Wandel hatte also in dem Sinne stattgefun- den, dass Frauen das Recht einer Ausbildung zuge- standen wurde und dass auch die Themen «Frau und Bildung» und «Frau und Arbeit» neben dem weiterhin vorherrschenden Thema Mutterschaft Raum erhielt. Das bedeutet, dass sich die öffentliche Wahrnehmung verändert hatte, wenn auch nur in beschränktem Masse. So befasste sich 1970 der Re- daktor des Kirchenblattes «In Christo» mit dem Thema Rollenfestlegung der Geschlechter.61 Der Artikel beginnt progressiv und lässt einem zunächst annehmen, dass die Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern nun auch in der liech- tensteinischen Gesellschaft Eingang fand. Die quali- fizierte Berufsausbildung für Frauen wird befür- wortet. Der Autor ist der Ansicht, die Einstellung, eine lange Ausbildung für Mädchen würde sich nicht lohnen, da diese ja ohnehin bald in den Hafen der Ehe steuern würden, sei nun wirklich nicht mehr zeitgemäss. Diese Meinung begründet er je- doch nicht auf der Überzeugung, auch Frauen hät- ten ein Anrecht auf Eigenständigkeit, Selbständig- keit und berufliche Befriedigung, sondern damit, dass junge Frauen, die eine gute Ausbildung und da- nach einen befriedigenden Arbeitsplatz haben, viel gelassener der Ehegründung entgegensehen kön- nen und nicht ständig unter dem Druck stehen, hof- fentlich bald einen Mann zu finden. Frauen hatten seit den 1960er Jahren das kauf- männische Berufsfeld für sich gewonnen, was im Vergleich zum typisch weiblichen Dienstbotenberuf oder der Fabrikarbeit einen deutlichen Aufstieg be- 32
	        

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