Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2007) (106)

und Schellenberg des Anton Florian von Liechten- stein zu einem reichsunmittelbaren Fürstentum mit dem einheitlichen Namen Liechtenstein erhob. So kam der Name aus Österreich oder eigentlich aus Steiermark hierher. Denn die Liechtenstein sind, wie man aus der Literaturgeschichte durch das Verdienst des minnesängerischen Frau-Venus- Ritters weiss, ein von Hause steirisches Geschlecht. Und somit ein inländisch österreichisches. Man dürfte also selbst als geborener Vaduzer von der ge- schichtlichen Seite her ihnen nicht verargen, dass sie in Wien wohnen und immer grosse Herren wa- ren, die ihren Schwerpunkt in dem Kaiserstaat fan- den. Die feinen Herren von Liechtenstein aus der Stei- ermark waren von Hause aus ansehnlich und wur- den in den alten Jahrhunderten immer reicher, so dass sie mancherlei grosse Herrschaften ankauften, bis nach Schlesien. In dieser Weise kauften sie denn auch im Jahre 1699 die zum schwäbischen Reichs- kreise gehörigen Herrschaften Vaduz und Schellen- berg. Diese waren schon seit geraumer Zeit zusam- men und hatten in den Händen verschiedener schwäbischer Grafenhäuser gewechselt, u. a. der Grafen von Werdenberg (oder rätoromanisch Mont- fort), der von Sulz und von Hohenems. Es waren kleine Reichsterritorien, nicht anders als es sie na- mentlich im Schwäbischen - seit dem Interregnum, das das schwäbische LIerzogtum auflöste - unzähli- ge gab. In nichts anders, als die benachbarten Graf- schaften Toggenburg, Sargans, Bludenz, Feldkirch, Bregenz, die seitdem entweder in der Schweiz oder in Vorderösterreich aufgegangen sind. Die heutige Souveränität von Liechtenstein leitet zurück auf den schon erwähnten Akt Karls VI. Es gehörte zur Reichspolitik der Wiener Kaiser, bei günstiger Gelegenheit das vorzunehmen, was man in England Pairsschub nennt. Sie suchten zuverläs- sige und, was ihnen dazu gehörte, katholische Her- ren durch kaiserliche Rangerhöhung auf die Fürs- tenbank des Reichstags und der Kreistage zu brin- gen, wo ihre Abstimmungen für den kaiserlichen Gönner viel grösseren Wert hatten, als wenn sie in den kollektiven Stimmabgaben der Grafen- und Herrenkurien verschwanden. Daher die Fülle fürst-licher 
katholischer Familien im Bereiche des heuti- gen Süddeutschland und auch im Rheinland. Zu- meist sind freilich diese Kleinfürstentümer aus kai- serlichen Gnaden nachmals der gnadenlosen Me- diatisierung unter Napoleon wieder erlegen. Natürlich mussten es reichsständische, reichsun- mittelbare Herrschaften sein, auf Grund derer die Erhebung erfolgte, und solche bot vor allem das zer- splitterte Schwaben dar, noch mehr als das rheini- sche Gebiet. Die Liechtensteins waren als österrei- chische Lehnsträger schon seit dem Beginn des Dreissigjährigen Krieges (1618 und 1623) Fürsten; ihnen hatte Kaiser Ferdinand II. im Jahre 1623 auch das den brandenburgischen Inhabern nicht ganz rechtlich entzogene Fürstentum Jägerndorf übertragen - aus welcher alten Streitfrage, in Ver- bindung mit verwandten, ja der Angriff Friedrichs des Grossen auf Schlesien erfolgte. Aber damit wa- ren sie nur erst landsässige Fürsten in verschiede- nen Kronländern der habsburgischen Lehnsherren. Reichsfürsten wurden sie durch die kaiserliche Er- hebung von 1719, auf Grund der reichsunmittelba- ren schwäbischen Herrschaften. 1772 ist dann eine Teilung des Hausbesitzes erfolgt, die das Fürsten- tum nebst dem LIauptteil der österreichischen Güter der Linie des ältesten Bruders Franz Josef zuwies, während der jüngere, Karl Borromäus von Liech- tenstein, der Begründer einer geringer ausgestatte- ten Nebenlinie wurde. Dieses Verhältnis der Fürsten als einheimischer grosser Grundherren zu dem Kaiserstaate Öster- reich, im Verein mit der geschützten Lage des klei- nen zwischen Österreich und Schweiz eingebetteten reichsunmittelbaren Gebietes, hat dieses durch alle neueren Sturmzeiten der deutschen Geschichte glücklich hindurch geführt. Es wurde, wie von Na- poleon, so auch vom Wiener Kongress verschont. Als ein charakteristisches Überbleibsel des hl. Rö- mischen Reiches trat es in das XIX. Jahrhundert mit ein und lebte in ihm weiter als selbständig berech- tigtes Mitglied des vom Wiener Kongress geschaffe- nen Deutschen Bundes. Indessen lässt sich das Verhältnis von Fürst und Land etwa dem von Lippe oder Reuss doch nicht ganz vergleichen. Die Fürsten blieben immer in ers- 306
	        

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