Das Fürstentum Liechtenstein HANS BERGER Velhagen & Klasings Monatshefte. XXI. Jahrgang, 1906/07. II. Band.
3)as ^ürftentum ßted)tert[tem. Sßon Jöcms SBerger. }s gibt ©efd)Ied)ter, aus benen fic| bie (8e[d)icf|te ein Hebens* tDÜtbiges uno anäiebenbes Spieljeug ju madhen fcbeint. 3u ihnen gehört bas Siebten* ftetnifd)e. 3)iefer Käme, ben wir in bet ©efchtcbte her Saiferftaaten unb in ben parlamentarifcben Kämpfen bes jüngften ßfterreid) ftnben, er fdjwingt aud) mit, fobalb man an »an 2)nct bentt ober Kembranbt; an bercn gleichermaßen herrliche unb gleichermaßen für bie oei= ben gtunboerfch'tebenen großen Kteifter be= jeichnenben ©cmätbe oon jungen grauen m oer Sied)tenfteinfd)en ©alette im Sllfer* grunboiertcl oon SBten. 3)ann geht ein fchalthaft behagliches Sächcln um unferen Ktunb, toenn roir an bas Urbilb aller »er* liebten 3)onqttid)otten benfen, an jenen Ul= rieh oon Siechtenftein ber Klinnefängerjeit, ber auch gleich noch fein eigener autooio* grashifetjer ©croantes $u unferer tronifchen ilßonne geworben ift. Unb anbers, aber auch betjaglich unb fchalthaft, fommt bas Säd)eln toieber, toenn uns einfällt, baß es in (Europa ja auch eine jouoeräne 9Jton* archie Siechtenftein gibt — »on ber ben meiften freilich nicht uiel mehr betamtt ift, als ber anfeheinenb unoeräußerIid)e Kreepen* wtto ber ©efdjichte: baß Siecbtenftein bei ben Keuorbnungen anno 1866 nur oergeffen roorben unb eben babureb europäifch [ou»e= rän getoorben fei. Smmet haben bas (Bemüt — ich fage ab* fichtlich fo — biefe 3)äumlinge ber Staaten* gefeUfcbaft »etgnuglid) unb [ogar toohltuenb bejehäftigt. San Sjiatino, Kepublif Slnborra, giirftentum Siechtenftein. ©s tut fo toohl, toenn man fieht, baß bet eifenharte ©etoalt= [dhritt ber großen Staatenbilbung einem Uäeilchen am SBege ausjuweidhen »ermag, tut fo wohl, wenn ntd)t alles immer »er|t)ftemati= fiert fein muß. ©erabe toir ÜJeutfche haben einen uralten §ang ju ber gerne gegönnten Slusnahme, 5U Sjumoren btefet Sltt. SBir toürben auch bas gürftentum Ktonaco mit ber gemütshaften 3ärtlid)feit folchen poli* tifchen Sjumors Bebenten — toenn nicht Klonaco eben auch HJtonte Carlo toäre. ©ar nicht 5U reben »on ben Skiefmarfen* fammlern. Slber in ber ffiejiehung tft Sied)* tenftein lein beutfehes San SJtarmo. Sjier fommt fdjon ein ettoas »erlegenet 3U9 in bas fonft gefunbe Slntlih ber europäifchen SDlonarchie bes gütftentums Siechtenftein. $>ie SDlarten, bie man in Siechtenftein auf bie ©riefe fleht, tragen ben Äopf bes Sai* fers jjranj 3o[ef. unb bas ©elb, bas man bort im Sanbe — nicht übermäßig, aber toohtoerteilt ausfömmlidh — hat, trägt ben Soppelabler bes f. f. Kelches. Stur Surft gogann Ii., bet fouoeräne §err »on Sied)* Belagen 4 Staflngs OTonatsfiefte. XXI. gcrtjrg. 1906/1907. II. 93t>.
tenftein, tut, toenn er ausfährt, ©elb in fei» nen SBeutel, bas fein eigenes Silbnis 3eigt; et macht oon bem
Stechte, m münjen, füt ferne Ißecfon ©ebtauch. 3)tefe liecbtenfteinet ©olb* unb Sronenftücte laufen abet chet burch SBie* ner Jpänbe als burd) bie ber Sanbesfinber. gürftetttum Siechtenftein, 159,5 ©coiert* ftlometer, bie jum toeitaus gtößeten Seil taubes ©ebtrgsgetänbe finb, unb 9650 Sin* wohner (im .yabre 1906), oon fatholifchem SBefenntnis unb beutfeher Sprache; feinerlei Staatsfchulb. 2)as ungefähr toäte bas Sta* tiftifche. Silber biefe beuifcfje Spracfje hat mandjer» lei tomanifche SBrocten in fich, unb jwat von alters her, fie finb nicht etwa »on fo* genannter SBilbung htneingewelfcht. 3n allen Siefen ©egenben wohnten einftmals bie »on ben Körnern romamfierten, etfmographifch immer noch unbeftimmten Kater: bie Käto= romanen, wie wir beute ihre Ickten Kefte in ben cberften Süpentälern nennen. Siecfjten= ftein liegt mitten in biefem alten Käter= gebiet, b. b- nicht bem jehtgen, fonbern bem gefchicbtlicEien. ©s liegt befanntlid) am rech= ten Ufer bes Kbeins, ba, wo er bie fjoben Sltpen burcbjiebt. ©ine gute Strecte unter* balb von ©f}ur beginnt es, befteht größten* teils aus ben norbweftlidjen Slbbän'gen bes Kbätifon unb wirb umgreif »on ben fian= tonen ©raubünben unb St. ©allen, fomie Dem öfterreiebifdjen Sßorarlberg. 3>er Käme ber §auptftabt ift rätoromanifd): SBabuj, in forreftem Satein Vüllis dulcis, lieblidhes Xat Sie fpradhliche Vermittlung etfennt man leiebt in ber älteren Kamensform SBal* bulfch, wobei, wie [o oft im 8tlamannifchen, aus bem l bialeftifch eine 5ßerbumpfung bes »orftebenben Sofaies geworben ift. S8abu3 ift aud) ber alte Käme bes San* bes. Kacbbem längft »or Sabrbunberten bie rätifchen ©inwobner bureb 3ur°anbcrung unb ©ermanifation ju Seutfdjen geworben waren, würbe erft im gabre 1719 aud) ber Sanbesname beutfeh. Kämlid) baburd), baß ßaifer fiarl VI. bte §ertfcbaften SBabuj unb ScheHenbetg bes Slnton giorian »on Siedjten* ftein ju einem retct)sunmittelbaren ?fürften= tum mit bem einbeitlicben Kamen Siedhten* ftein erhob. So tarn ber Käme aus ßfterreid) ober etgentlid) aus Steiermarf bietber. 2)cnn bie Sied)tenficin finb, wie man aus ber Sitera* turge[chiä)te burdj bas 5Berbtenft bes mimte* fängerifd)en grau=a3enus = Kittets weiß, ein »on Sjaufe fteirifd)cs ©efd)ledht. Uno fo* mit ein tnlänbtfcf) öfterreid)tfd)es. Klan bütfte alfo felbft als geborener SBabujer oon ber ge[d)id)tlid)en Sette ber tbnen nid)t oer* argen, baß fie in SBien wobnen unb immer gtoßc §etren waten, bie üjtcn Scbwetpuntt in bem Saifetftaate fanben. 22 304