Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2006) (105)

zerische Steuergesetzgebung kennen gelernt. Wil- helm Beck gründete 1914 die erste Anwaltskanzlei in Liechtenstein. Nach dem Ersten Weltkrieg spe- zialisierte er sich auf die Verwaltung von Sitzunter- nehmen. Von den 329 Sitzunternehmen, die sich bis 1928 im liechtensteinischen Öffentlichkeitsre- gister eintragen Hessen, vertrat er alleine 113 oder ein gutes Drittel, fast doppelt so viele wie die BiL selbst.52 Wilhelm Beck war nicht nur Anwalt, son- dern 
auch die zentrale Figur im politischen Leben des Fürstentums. Er gründete die Christlich-soziale Volkspartei (die heutige Vaterländische Union), for- cierte die politische Loslösung Liechtensteins von Österreich und die Demokratisierung der liechten- steinischen Monarchie. Bei der Erarbeitung des PGR wurde Wilhelm Beck von seinem Namensvetter, dem Privatrechtler Emil Beck, unterstützt.53 Der schweizerisch-Hech- tensteinische Doppelbürger Emil Beck war in den Jahren 1919 bis 1933 liechtensteinischer Gesand- ter in Bern. Er hatte sich 1918 bei Eugen FI über, dem Schöpfer des schweizerischen Obligationen- rechts, habilitiert und hatte damit die besten Vor- aussetzungen, um bei der Erarbeitung des PGR mitzuwirken. Mit dem PGR stellten die beiden Becks den aus- ländischen Anlegern eine ganze Palette von juristi- schen Personen zur Verfügung, aus der diese die für ihre Zwecke geeignete Konstruktion heraussu- chen konnten: die Anstalt oder die Aktiengesell- schaft, die Stiftung oder den Verein, das Treuunter- nehmen oder die Genossenschaft. Der Schritt nach Liechtenstein wurde den ausländischen Kapitaleig- nern dadurch erleichtert, dass sie ihre liechten- steinischen Sitzunternehmen so einrichten durften, wie sie es sich von zu Hause her gewohnt waren.54 Besonders originell war das PGR da, wo es Gesell- schaftsformen einführte, die man vorher auf dem europäischen Kontinent so nicht gekannt hatte. Die Treuhänderschaft beispielsweise war dem aus dem angelsächsischen Raum bekannten Trust nach- empfunden.55 Nicht nur bei der rechtlichen Ausge- staltung der Gesellschaft, sondern auch beim Grün- dungsprozedere oder in administrativer Hinsicht kam man den ausländischen Interessenten entge-gen. 
So konnte man ein Sitzunternehmen lange vom Ausland aus managen. In Liechtenstein wurde ledigHch ein «Repräsentant» benötigt. Erst seit 1963 ist ein ortsansässiger Verwaltungsrat vorgeschrie- ben.56 Unmittelbarer Anlass für die Ausarbeitung des PGR war das Bestreben, Gesellschaftsformen ein- zuführen, die nicht den schweizerischen Stempel- abgaben unterstanden.57 Denn mit dem Zollvertrag musste das Fürstentum Liechtenstein 1924 auch die schweizerische Stempelgesetzgebung überneh- men.58 Auf der Ausgabe und dem Gewinn von Wertpapieren lagen fortan Abgaben, die von der schweizerischen Steuerverwaltung erhoben und an Liechtenstein zurückerstattet wurden. Die Liech- tensteiner Treuhänder fürchteten um die Konkur- renzfähigkeit ihrer Sitzunternehmen. Sie sträubten sich nicht nur gegen die neuen Steuern an und für sich, sondern auch gegen die damit verbundene Kontrolle durch den Schweizer Fiskus.59 Das PGR schuf hier die gewünschte Abhilfe: Es stellte mit der Stiftung, dem Trust und der Anstalt Gesell- schaftsformen zur Verfügung, die es in der Schweiz nicht gab und die deswegen nicht unter die Schwei- zer Stempelgesetzgebung fielen. Mit dem anlegerfreundlichen PGR und der einla- denden Steuergesetzgebung waren die Fundamen- te des Finanzplatzes gelegt. Die Kapitalien, die nun hereinzuströmen begannen, wurden fast nie im Fürstentum Liechtenstein selbst angelegt. Sie wur- den in Vaduz lediglich treuhänderisch und steuer- begünstigt verwaltet. Meistens brachte man das Geld, via BiL, bei befreundeten Schweizer Banken unter. Die geographische Lage nahe dem Finanz- platz Zürich, mit dem man praktischerweise die Währung teilte, war hier ein wichtiger Vorteil. Die wirtschaftlich Berechtigten, die hinter den Gründungen standen, stammten vor aüem aus dem mitteleuropäischen Raum, namentlich aus den Län- dern, die den Krieg verloren hatten. Die meisten Klienten kamen aus Deutschland, wo die Steuerlast in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre wegen der Reparationszahlungen an die Entente unerträgli- che Ausmasse annahm. Wichtig war auch die Angst vor dem Kommunismus, welche weite Teile 92
	        

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