Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2006) (105)

VON WESTFALEN ZUM GLOBAL VILLAGE ZOLTÄN TIBOR PÄLLINGER sondere die Institution der fünf ständigen Mitglie- der, führt ein gewisses hierarchisches Element in die UNO ein, das von der strikten Gleichheit der Mitglieder abweicht. Demgegenüber ist die Gene- ralversammlung der UNO paritätisch organisiert, und alle Mitglieder verfügen über eine Stimme.71 Die Generalversammlung kann alle Fragen und Angelegenheiten, die in die Zuständigkeit der UNC fallen, erörtern und - rechtlich nicht verbindliche - Empfehlungen an die UN-Mitglieder oder den Si- cherheitsrat richten.72 Dabei entscheidet die Gene- ralversammlung bei wichtigen Fragen mit Zwei- Drittels-Mehrheit und in allen anderen Fällen mit einfacher Mehrheit.73 Die hier geschilderte Mög- lichkeit, völkerrechtliche Beschlüsse mit Mehrheits- entscheid zu fassen, stellt eine weitere Einschrän- kung der klassischen Souveränitätskonzeption dar.74 Allerdings muss in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, dass die im Rahmen der UNO beobachtbare Verringerung der inhaltlichen Reich- weite der Souveränität mit einer Stärkung der Teil- haberechte und des internationalen Schutzes ein- hergeht.75 Die Entwicklung der Souveränitätskonzeption wur- de neben der Schaffung der UNO auch durch die Dekolonialisierung beeinflusst. Zwischen 1946 und 2002 erlangten mehr als 100 ehemalige Kolonien die staatliche Unabhängigkeit.76 Die UNO selbst hat dazu beigetragen, dass dieser Prozess trotz aller Schwierigkeiten zu einem erfolgreichen Ende ge- führt werden konnte. Dabei war der Keim für die Dekolonialisierung schon in der UNC von 1945 an- gelegt, welche die Kolonialmächte verpflichtete, die Kolonien zur Unabhängigkeit zu führen.77 Es war insbesondere die Generalversammlung, die mittels 50) Kimminich 1990, S. 90. 51) Müller-Wewel 2003, S. 69. 52) Grewe 1995, S. 841. 53) Verdross, Simma 1984, S. 70. 54) Charta der Vereinten Nationen (26. Juni 1945). In: Randelzhofer 2004. S. 1-24. 
55) Verdross, Simma 1984, S. 72. 56) UNC, Art. 1, Ziff. 1. 57) UNC, Art. 1, Ziff. 2. 58) UNC, Art. 1. Ziff. 3. 59) UNC. Art. 2, Ziff. 1. 60) UNC. Art. 2, Ziff. 2. 61) UNC, Art. 2, Ziff. 3. 62) UNC, Art. 2, Ziff. 4. 63) UNC. Art. 2, Ziff. 5. 64) UNC, Art. 2, Ziff. 6. 65) UNC, Art. 2, Ziff. 7. 66) An dieser Stelle sollen nur die wichtigsten souveränitätsrelevan- ten Merkmale der UNO näher betrachtet werden. Für einen Über- blick über den Aufbau, die Haupt- und Nebenorgane sowie die Funktionsweise der UNO vgl. etwa Wolf 2005; Unser 2004: Fasulo 2003; Ziring, Riggs, Piano 2005. 67) UNC, Art. 24, Abs. 1 68) UNC, Art. 23, Abs. 1. 69) UNC, Art. 27, Abs. 3. 70) UNC, Art. 25. 71) UNC, Art. 9, Abs. 1. 72) Vgl. UNC, Art. 10. Allerdings gilt es in diesem Zusammenhang den Vorrang des Sicherheitsrats bei den Fragen zu beachten, die die Wahrung des Weltfriedens betreffen (Art. 12 Abs. 1 und Art. 24. Abs. 1 UNC). 73) UNC, Art. 18, Abs. 2. 74) Die klassische Souveränitätskonzeption ging noch davon aus, dass souveräne Staaten nur nach Massgabe ihrer Zustimmung recht- lich gebunden werden konnten, weshalb sich in der politischen Pra- xis der Grundsatz entwickelte, dass völkerrechtliche Beschlüsse ein- stimmig zu fassen seien (Müller-Wewel 2003, S. 217 f.). 75) Fassbender 2004, S. 8. 76) Generell lässt sich die Geschichte der Dekolonialisierung in drei Phasen zusammenfassen: In der ersten Phase (1946-1955) erlangten die europäischen und japanischen Kolonien in Asien die Unabhän- gigkeit. In der zweiten Phase (1956-1964) zerfielen das französische und belgische Kolonialreich vollständig und das britische in Afrika fast vollständig. In der dritten Phase (nach 1965) zerfiel das portu- giesische Kolonialreich, zudem erlangten zahlreiche Protektorate und die meisten heute unabhängigen Inselstaaten ihre volle Souver- änität (davon war v.a. Grossbritannien betroffen). Der Vollständigkeit halber sei noch auf den Zerfall der UdSSR, der zur Entstehung von 15 neuen Staaten führte, das Auseinanderbrechen Jugoslawiens, aus dem 5 Staaten hervorgingen, sowie die Erlangung der Unabhängig- keit von Osttimor verwiesen (Exenberger 2000, S. 14-15). 77) UNC, Art. 73. 61
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.