Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2006) (105)

nicht ein. Er konnte es auch gar nicht, da die pro- blematische Reichssteuerregelung von 1614 erneut bestätigt worden war, während zugleich die Ge- richtsgemeinden in der Notlage waren, die Bürg- schaften, die sie für die über den Schnitz hinausge- henden Reichssteuern eingegangen waren, ra- schestmöglich abzubauen. 1691 erhoben die Vadu- zer Zugehörigen Klage in Wien.57 Der Reichshofrat ordnete 1693 eine neuerliche kaiserliche Administration für Vaduz und Schellen- berg an.58 Von der hauptsächlichen Tätigkeit her liesse sich von einer Debitkommission sprechen,59 doch bleibt zu beachten, dass, anders als bei Schul- denkommissionen üblich,60 die Verwaltung voll- ständig übernommen wurde. Letztlich wurde die übermässige lokale Staatsverschuldung bis zum Staatsbankrott als Unterfall des Missbrauchs der Herrschergewalt behandelt, was sowohl dahinge- hend, dass hier die Zugehörigen die wichtigsten Gläubiger waren, als auch im Blick darauf, dass eine Überschuldung überhaupt eine schwerwie- gende Verletzung der Lokalverfassung, insbesonde- re der herrschaftlichen Grundpflicht zu fürsorgli- chem Schutz und Schirm, darstellte, erklärbar ist. Im Jahre 1695 entschieden die obersten Reichs- richter auf Aufhebung der starren Reichssteuerreg- lung von 1614, die sich so destruktiv ausgewirkt hatte. Künftig sollten die Reichssteuern von den Gerichtsgemeinden vollumfänglich zu erbringen sein.61 Zudem beauftragte der Reichshofrat am 7. Juni 1696 die Administrations- und Konkurskom- mission damit, die Herrenfunktion der kleineren der beiden Herrschaften, Schellenberg, an den meistbietenden Herrschaftsfähigen zu verkaufen. Für den Abbau der angesammelten Blut- und Steu- erschulden schien kein anderer Weg mehr gang- bar. Hingegen wurde die kaiserliche Administrati- on in der Grafschaft Vaduz mit der Residenz noch 16 Jahre fortgesetzt, bis der inzwischen zum Reichshofratspräsidenten aufgestiegene Kommis- sar Rupert von Kempten 1712 auch sie mangels Sanierungsalternative für 290 000 Gulden verkau- fen liess. Im Ergebnis waren somit aufgrund von Missbräuchen der lokalen Herrschaftsgewalt und der Unfähigkeit, tragfähige Lösungen für die Be-schaffung 
der Reichssteuern zu finden, nicht nur zwei regierende Reichsgrafen abgesetzt worden, sondern es war auch jenes Resultat eingetreten, das zu vermeiden sich die kaiserliche Kommission intensiv bemüht hatte: Eine Dynastie hatte zwei ih- rer angestammten Herrschaften gänzlich und irre- versibel eingebüsst. Der vom Reichshofrat veranlasste dynastische Wechsel liess Schellenberg und Vaduz an jenes Haus gelangen, das dem Land den bis heute gülti- gen Namen gegeben hat. Mit den kaisernahen Liechtensteinern hatte die kaiserliche Kommission die geeignetsten Käufer aufgespürt, die aus den oben dargelegten Gründen bereit waren, sowohl den für den Abbau der Hohenemser Schulden er- forderlichen Überpreis zu zahlen, als auch den Ho- henemsern eine ertragsreichere (!) landsässige Er- satz-Herrschaft, Bistrau in Mähren, zu überlas- sen. 
6- DER KONFLIKT UM DIE GEMEINDERECHTE (1718 BIS 1733) Eine abermalige Bedeutung erlangte der Reichs- hofrat für das Land am Alpenrhein ab 1718. Dabei ging es insbesondere, wenn auch nicht nur, um ei- nen letztlich gescheiterten Versuch des Fürsten, die Gemeinderechte zu beschneiden. Zunächst einmal schien der Fürst den Reichshofrat für seine Interes- sen nutzen zu können, als 1718/20 eine reichs- hofrätliche Anordnung gegen die Gemeinden er- ging, widerrechtlich genutzte Herrschaftsgüter zurückzugeben. 1722 wurde dann auf Anrufen der Geistlichkeit eine Reichshofratskommission tätig wegen Beschneidung geistücher Rechte. Wichtig ist, dass die Gerichtsgemeinden sich an diese Kom- mission wandten, um die Beschneidung unentzieh- barer und in der Huldigung von 1712 auch aktiv reproduzierter Rechte seitens der Herrschaft gel- tend zu machen. Die Kommission erklärte sich zwar wegen ihres anders lautenden Auftrages für unzuständig, und weitere Prozessschritte sind nach derzeitigem Kenntnisstand nicht ersichtlich. Den- noch kam es 1733 zu einem weitgehenden Nachge- 26
	        

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