Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2006) (105)

REZENSIONEN / LIECHTENSTEINISCHE FINANZBE- ZIEHUNGEN ZUR ZEIT DES NATIONALSOZIALISMUS vor dem langen Arm der alliierten Strafverfolgung protegiert und konnten dort die turbulente Nach- kriegszeit überwintern. Der in diesem Zusammen- hang erhobene Vorwurf der Alliierten, Liechtenstein habe durch die Aufnahme und Einbürgerung von Profiteuren und Kollaborateuren des NS-Regimes die Kapitalverschiebung von Exponenten des NS- Regimes begünstigt, konnte vom Forscherteam je- doch nicht bestätigt werden. Es wurden keine Be- weise gefunden, welche das Gerücht bestätigen würden, dass die oben genannten Persönlichkeiten in Liechtenstein Vermögenswerte von Vertretern des NS-Regimes deponiert hielten. Gleichzeitig schliessen die Autoren die Möglichkeit einer solchen Funktion nicht aus. Die Abwesenheit von Belegen könne nicht als eindeutiges Indiz für die Inexistenz solcher Geheimkonten bewertet werden.12 In ihrer Schlussbetrachtung vertreten die Auto- ren Lussy und Lopez jedoch die oben bereits zitierte These, dass grundsätzlich nicht davon gesprochen werden könne, dass Liechtenstein als Hort für deut- sches Fluchtkapital oder für die Kapitalflucht von NS-Grössen diente.13 Die von den Autoren selber ge- machten Vorbehalte aufgrund der lückenhaften Überlieferung, die Darstellung der zahlreichen Ver- säumnisse der Aufsichts- und Strafverfolgungs- behörden, die nach Kriegsende ihrem Auftrag zur Sperre deutschen Kapitals in Liechtenstein nachgin- gen, wie auch die, wenn auch nicht immensen, so doch relevanten Steigerungen der Kundeneinlagen scheinen eine solche Schlussfolgerung auf den ers- ten Blick nicht zuzulassen. Im Vergleich mit dem schweizerischen Bankenplatz werden jedoch die Relationen deutlich. So war der Umfang aller Ge- schäfte der beiden einzigen in Liechtenstein domizi- lierten Banken, der Liechtensteinischen Landes- bank und der Bank in Liechtenstein, während des Zweiten Weltkriegs zusammengezählt etwa so gross wie der Umfang der Geschäfte, welche die damals drittgrösste Schweizer Geschäftsbank, die Schwei- zerische Bankgesellschaft Zürich, mit den deut- schen Geschäftsbanken und der Deutschen Reichs- bank in der gleichen Zeitspanne tätigte.14 Von einer Hochburg deutschen Fluchtkapitals kann schon an- gesichts dieser Grössenordnung nicht die Rede sein. 
Das Autorenteam präsentiert dem interessierten Leser eine breite Faktenlage, die von den allgemei- nen Rahmenbedingungen, über die Geschäftstätig- keit der Banken von den 1930er und 1940er Jahren bis hin zu den vermögensrechtlichen Fragen der Nachkriegszeit reicht. Im Vergleich hierzu ist die Diskussion über die gewonnen Erkenntnisse und deren Beurteilung leider etwas kurz geraten. Die im Schlusswort angeführte Gesamtbeurteilung über die Hintergründe der dargestellten Abläufe fällt sehr knapp aus. Es ist lediglich die Rede von einer «schwierigen Gratwanderung zwischen Anpassung und Widerstand».15 Der Leser kann und muss aus der umfangreichen Faktenlage seine eigenen Schlüs- se ziehen. 7) Hanspeter Lussy. Rodrigo Lopez: Liechtensteinische Finanzbezie- hungen zur Zeit des Nationalsozialismus (Veröffentlichungen der Unabhängigen Historikerkommission Liechtenstein Zweiter Welt- krieg, Band 3). Vaduz. Zürich, 2005, Teilband II, S. 740. 8) Ebenda, S. 735. 9) Prominenter Berliner Anwalt, der in zahlreiche «Arisierungsmass- nahmen» verwickelt war und nach Kriegsende wegen Vorschubleis- tung fremder Nachrichtendienste in der Schweiz angeklagt wurde. 10) Leipziger Millionär, Verleger und näherer Bekannter Hermann Görings. 11) Rüstungsindustrieller und Wirtschaftsberater im Dienste des Deutschen Heereswaffenamtes. 12) Hanspeter Lussy, Rodrigo Lopez: Liechtensteinische Finanzbe- ziehungen zur Zeit des Nationalsozialismus (Veröffentlichungen der Unabhängigen Historikerkommission Liechtenstein Zweiter Welt- krieg. Band 3). Vaduz, Zürich, 2005, Teilband II, S. 653-654. 1 3) Ebenda, S. 740. 14) Ebenda, Teilband I, S. 359. 15) Ebenda, Teilband II, S. 739. 257
	        

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