Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2005) (104)

DIE ERSTEN BEKANNTEN HEXEN MANFRED TSCHAIKNER DIE FINANZIERUNG DER HEXENPROZESSE DURCH DIE UNTERTANEN 1676 Die Hexenprozesse in den österreichischen Herr- schaften vor dem Arlberg bildeten zumeist Defizit- geschäfte und belasteten die Amtskassen schwer.31 In der historischen Literatur zu Liechtenstein hinge- gen galten diese Gerichtsverfahren lange Zeit vor- nehmlich als ein Mittel der Geldbeschaffung. Sie wurden sogar als «organisierter Raubzug der Obrig- keit und ihrer willfährigen Beamten gegenüber den eigenen Untertanen»32 und somit als Instrumentali- sierung des Hexenwesens aufgefasst. Diese Wer- tung stellte allerdings bereits einen wichtigen - und vor allein auch wirksamen - Bestandteil jener Ver- teidigungsstrategien dar, womit sich die Opfer der Hexenverfolgungen beziehungsweise deren Ver- wandtschaften gegen ihr schweres Schicksal zur Wehr setzten, und erfordert allein schon deshalb eine kritische Überprüfung am Quellenmaterial. Ein für diesen Zweck wichtiges Dokument konnte kürzlich im Bludenzer Stadtarchiv entdeckt wer- den.33 Es erlaubt eine bisher mangels entsprechen- der Quellen nicht mögliche, differenziertere Ein- schätzung der finanziellen Rahmenbedingungen der ersten Hexenprozesse unter der Herrschaft des Grafen Ferdinand Karl Franz von Hohenems sowie der damit verbundenen Interessen. Das Schreiben weist folgenden Wortlaut auf: Wir Ferdinand Carl Franz. G raff zue Höchen Embß, Gallara und Vaduz, Freyherr zue Schellenberg, Herr zue Dorenbüeren und Lustnaw bekhennen, dem- nach auf unßer gned[iges] ansinnen und requirieren unßere liebe gethrewe new: und allte lannd ammän- ner wie auch etwelche vom. gericht in nammen ge- sambter graffschafft Vaduz zue fortsezung reassu- mierten processes und. andern unnßeren anligen- heiten von herren rittmaister Hartman Planta zue Mallans ein summa gelts von 600f. aufgenohmmen und zue selbigem ende hin ihme h[errn] creditori ein mit Verpfändung ihrig habenden haab und guets und sovil hierzue vonnöthen besagende Obligation eingehändigt, daß wir selbige umb solch erwendt aufgenohmmene 600f. nit allein in all derentwegen 
aufgehendten cösstungen schadlos halten, sonn- dern auch von denen negst verfallenden confiscati- 24) Manfred Tschaikner: «Der Teufel und die Hexen müssen aus dem Land ...» (wie Anm. 13), S. 15-18. 25) Andreas Ulmer-: Die Burgen und Edelsitze Vorarlbergs und Liech- tensteins. Historisch und topographisch beschrieben. Dornbirn, 1978, S. 716-717. 26) Manfred Tschaikner: Hexenverfolgungen in Hohenems ein- schliesslich des Heichshofs Lustenau sowie der österreichischen Herrschaften Feldkirch und Neuburg unter hohenemsischen Pfand- herren und Vögten. Konstanz, 2004 (Forschungen zur Geschichte Vorarlbergs 5), S. 74 u. 84. 27) Hans Stricker, Toni Banzer, Herbert Hübe: Liechtensteiner Na- menbuch. Die Orts- und Flurnamen des Fürstentums Liechtenstein. Bd. 6. Einführung. Quellen. Register. Vaduz, 1999. S. 335; laut Peter Kaiser war Sandholzer seit 1640 Landvogt: Peter Kaiser: Geschichte des Fürstenthums Liechtenstein, nebst Schilderungen aus Chur-Rä- tiens Vorzeit. 2. Aull. Bearb. v. Johann Baptist Büchel. Vaduz, 1923. S. 495. 28) Johannes Evangelista Summer: Marianischer Wallfahrter Zu der Hülff- und Freudenreichen Göttlichen Gnaden-Mutter Maria auf U. L. Frauen Berg In dem Kayserl. Marek-Flecken zu Ranckweil unweit der Ober-Oesterrcichischen Stadt Feldkirch. Augsburg. 1728. S. 163. 29) Tiroler Landesarchiv, Buch Walgau. Bd. 15, fol. 31a+b. 30) Summer (wie Anm. 28). S. 163. 31) Einzig bei den Bregenzer Prozessen von 1609 fiel aus Konfiskati- onsgelder eine höhere Summe an. die für Baumassnahmon verwen- det werden konnte; Manfred Tschaikner: «Damit das Böse ausgerot- tet werde». Hexenverfolgungen in Vorarlberg im 16. und 17. Jahr- hundert. Bregenz, 1 992 (Studien zur Gesellschaft und Geschichte Vorarlbergs 11), S. 164-168. 32) Peter Putzer: Das Salzburger Rechtsgutachten von 1682. In: Otto Seger. Peter Putzer: Hexenprozesse in Liechtenstein und das Salz- burger Rechtsgutachten von 1682. St. Johann i. P.. Wien, 1987 (Schriften des Instituts für Historische Kriminologie 2). S. 13-46. hier S. 34. Anm. unten. 33) Auf welchem Weg es dorthin gelangt ist. bleibt bislang rätselhaft. In zerworfenen Beständen des Vorarlberger Landesarchivs konnten jüngst auch weitere Unterlagen zu den vaduzischen Hexenprozcssen entdeckt werden. Dabei handelt es sich um ein Schreiben der Inns- brucker Regierung an den VogteivervvaJter von Bregenz und Hohen- egg. Johann Leonhard Pappus von Tratzberg zu Laubenberg und Rauchenzell, sowie an seine Amtleute vom 26. Februar 1681. in wel- chem den aus der Grafschaft Vaduz geflohenen Opfern der Hexen- verfolgungen in den österreichischen Herrschaften Asyl und Schutz gewährt wurde. Zudem liegt ein Regierungsbefehl vom 20. März 1685 vor. laut dem auf Anforderung des kaiserlichen Kommissärs Rupert von Bodman. Fürstabt von Kempten, die Vermögensverhält- nisse des Juristen Johann Bühele als ehemaligem Vaduzer Beamten erhoben wurden. Das Konzept des Antwortschreibens mit genauen Angaben zum Besitzstand des Inhabers des Schlössleins Mittehvci- herburg bei Hard ist ebenfalls erhalten. 79
	        

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