Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2005) (104)

DER KAMPF UM DEN TEXT DER HYMNE Die erste durchgesetzte Veränderung des Texts be- traf das erste Wort der Hymne. Das unsangliche Wort «Oberst» wurde um 1897 durch «Oben» er- setzt. Diese kleine, für den Sprachfluss aber günsti- ge Änderung wurde allgemein ohne Widerspruch akzeptiert und angewendet. Wie ein, dem Schrift- bild nach von Franz Xaver Gassner stammendes Notenblatt mit der Bearbeitung der Hymne für vier- stimmigen Männerchor zeigt, war die Änderung von «Oberst» zu «Oben» 1897 noch nicht ganz ge- wohnt. Bei der Gedenkfeier in Eschen «zur Erinne- rung an den zweihundert]ährigen Bestand des An- schlusses der Herrschaft Schellenberg an das Für- stentum Liechtenstein» wurde 1899 die Hymne be- reits mit dem Anfang «Oben am deutschen Rhein» gesungen. Diese kleine Änderung wurde reibungs- los angenommen. Anlass zu grossen Meinungsverschiedenheiten und zu heftigen Zeitungsfehden, die sich über mehr als sechs Jahrzehnte hinzogen, gaben die Worte «Deutsch» bzw. «Deutschland» im Hymnentext. Die Formulierungen im Jauch'sehen Text «Oberst am deutschen Rhein», «im deutschen Vaterland» und Der Triesenberger Lehrer und Musiker Franz Xaver Gassner (1874-1940) ver- fasste dieses handgeschrie- bene Notenblatt mit einer Bearbeitung der Hymne für einen vierstimmigen Män- nerchor. Ein bemerkens- wertes Detail ist, dass die soeben erfolgte Abände- rung des Hymnen-Titels von «Oberst am deutschen Rhein» zu «Oben am deut- schen Rhein» offenbar noch nicht verinnerlicht worden war. Franz Xaver Gassner schrieb noch das Wort «Oberst», strich es aber sodann durch und ersetzte es durch das Wort «Oben». 
«auf Deutschlands Wacht», die auf die Mitglied- schaft Liechtensteins ab 1806 beim Rheinbund und von 1816 bis 1866 beim Deutschen Bund hinwei- sen, haben offenbar noch vor der Jahrhundertwen- de bei manchen Liechtensteinern Anstoss erregt. Man sah darin eine geschichtliche Situation ver- herrlicht, die es längst nicht mehr gab. Zum andern wollte man sich auch aus dem Sog des deutschen Nationalismus herausbringen. Zu diesem Zweck soll- te das mehrmals vorkommende Wort «deutsch» er- setzt werden. In einem ersten Versuch wurde in der ersten Zeile das Wort «am deutschen Rhein» mit «am jun- gen Rhein» ersetzt. Die Änderung wurde offenbar bereits ans Ausland weiter gegeben, denn in seinem Artikel «Die Preussischen Nationalhymnen» schreibt der deutsche Musikwissenschaftler Wilhelm Tap- pert: «Für das kleinste aller deutschen Fürstentümer sorgte ein Geistlicher um 1850 <Oberst am jungen Rhein lehnet sich Liechtenstein an Alpenhöhn. / Dies liebe Heimatland im deutschen Vaterland hat Gottes weise Hand für uns ersehn).»^ Dieses Zitat ist in mehrfachem Sinn bemerkens- wert: Erstens, weil Liechtenstein immer noch als deutsches Fürstentum bezeichnet wird; zweitens, weil damit belegt wird, dass bereits Änderungsbe- strebungen in Liechtenstein im Gange waren; drit- tens, weil sich die Frage ergibt, von wem in Liech- tenstein dieser Text geliefert wurde und schliess- lich, weil die Anmerkung auf das Einführungsjahr indirekt einen Hinweis auf Kaplan Jauch ergibt. Da sich im Landesarchiv dazu keinerlei Briefwechsel findet, kann Tappert diese Auskünfte über die Hymne und den Text nur von einer Privatperson bekommen haben, die schon damals an der Text- bereinigung interessiert war.-'' Ab Mitte der 1890er Jahre entstanden dann Ge- dichte und Lieder, die an Stelle des «deutschen» 28) Wilhelm Tappert: die Preussischen Nationalhymnen. In: «Die Musik». Heft 24, Jahrgang 3. 29) Die gleiche Textvariante wird auch von Emil Bohn in seinem Buch «Die Nationalhymnen der europäischen Völker». Breslau 1908. übernommen. 36
	        

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