Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2005) (104)

BRANDBESTATTUNGEN AUS DER EISENZEIT VOM «RUNDA BÖCHEL» IN BALZERS / MARIANNE LÖRCHER des Jahres und besonders wohl bei extremen Natur- ereignissen. Obwohl Geburt, Sterben und Tod zu den normalsten Ereignissen des Lebens gehören, sind sie genauso aussergewöhnlich und für den ein- zelnen Menschen zuerst einmal unbekannt und da- mit auch beängstigend. Der Mensch erlebt dabei (wie bei einem Sturm oder einem Buschfeuer) die Grenzen seiner Machbarkeit, seine Ohnmacht und auch die Unberechenbarkeit der Natur. Nur indem er versucht, sich über die Götter mit der Natur im Allgemeinen und damit auch mit seiner inneren Na- tur oder dem Göttlichen in sich selbst zu verbinden, kann er lernen, mit diesen Ereignissen umzugehen. Alltagserlebnisse, Erfahrungen und Geschichten der Vorfahren helfen ihm im Umgang mit solchen besonderen Lebenssituationen. Fantasien oder Vorstellungen, wie das Leben nach dem Sturm, nach dem Buschfeuer oder nach dem Tod aussieht oder weitergeht, können ihm hel- fen, momentane, fast unerträgliche Situationen zu überstehen, auszuhalten und zu überleben. Nicht nur wie das Leben nach dem Tod aussehen soll, sondern auch Vorstellungen vom Ort, zu wel- chem die Toten hin verschwinden oder der Lebens- atem der Verstorbenen hin entflieht, waren und sind immer wieder der Fantasie der Hinterbliebe- nen überlassen. Dass die Seele der Toten ins Reich der Götter oder Gottheiten entschwindet, war wohl eine dieser Ideen über die Anderswelt. Wie ein Volk seine Toten bestattet, gibt deshalb auch Teile seiner religiösen Vorstellungen wieder; und «wenn wir die Vorstellung verschiedener Völ- ker vom Tode nicht kennten, würden wir in den mei- sten Fällen ihre Gedanken über das Leben nicht ver- stehen».77 Wenn also die Verbrennung der Toten praktiziert wird, können wir davon ausgehen, dass die Jen- seitsvorstellungen nicht mit derselben körperhaften Existenz verbunden sind. Es finden sich Hinweise, dass es bei den Germanen und damit wohl auch bei den Kelten wichtig war, dass nach dem Tod der Name weiterlebe. Indem nach dem Tode vom Ver- storbenen geredet wurde, darin bestand die Un- sterblichkeit. (In Island enthalten die Namen der 
Kinder immer noch die Namen des Vaters, Beispiel Vater: Stefan Svensson hat eine Helga Stefansdottir oder einen Gunar Stefansson und in den Telefon- büchern sind die Einträge nach den Vornamen ge- ordnet). Wenn Name, Ruhm und Ehre die wichtigsten Dinge waren, könnte man das auch so verstehen, dass diese Idee weg vom Materiellen zielt: der Name bleibt dann nur noch Symbol für eine Person; Taten und Erlebnisse ihres Lebens äussern sich im Nach- ruf. Es geschieht auch hier eine Verwandlung: weg vom Materiellen hin zu geistigen Werten. Der Tod von Angehörigen bot also immer wieder Gelegenheit, mit den Göttern zu kommunizieren, bei ihnen um Hilfe zu bitten, bei ihnen Fragen zu stellen und sie auch anzuzweifeln. Einen Überblick zu den in der Eisenzeit verehr- ten Gottheiten bietet die von Julius Cäsar gemachte Götterbeschreibung, die für das linksrheinische Gal- lien Geltung hatte (siehe Tabelle auf der folgenden Seite).78 Keine unmittelbare antike Quelle bezieht sich auf das hier beschriebene Gebiet in Balzers, sodass nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden darf, die Jenseitsvorstellungen seien hier die gleichen gewe- sen. Dennoch darf angenommen werden, dass gros- se Gottheiten überregional verehrt wurden. In der Verehrung dieser Götter wird deutlich, dass in erster Linie die Naturgewalten und ihre Ele- mente gefürchtet aber auch geschätzt waren. Blitz, Donner, Gewitter, heisse Quellen, Feuer, Tod, Ge- sundheit, Fruchtbarkeit, Reichtum, Handel, Gewer- be, Kriege waren die den Göttern zugedachten Attri- bute. Alle diese Themen waren auch Bestandteile im realen Leben des Menschen der Eisenzeit (und sind es für den heute lebenden Menschen immer noch). c6) Freundliche Mitteilung von Alfred Neukomm, Liestal. 1999. 77) Grönbech, 1997, S. 319 ff. 7S) Behrends, 1 981 beschreibt die Götter der Kelten aufgrund von schriftlichen Quellen Lucanus' und Caesars (6. Buch seiner Commen- tarii de bello Gallico). Die Erklärungen der Götternamen sind bei Bellingcr, 1997 nachzulesen. 217
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.