ZENSUR IM GEBIET DES HEUTIGEN FÜRSTENTUMS LIECHTENSTEIN / WILFRIED MARXER MEDIENFÖRDERUNG Eine staatliche Medienförderung wurde in Liech- tenstein seit den Anfängen der Pressegeschichte in- direkt, nämlich durch die Anerkennung von Zei- tungen als amtliche Publikationsorgane, betrieben. Zeitungen, die als amtliche Kundmachungsorgane anerkannt waren und sind, profitieren von einem entsprechend hohen Inseratevolumen.21- Die Zei- tung «Der Liechtensteiner» erschien zwischen 1964 und 1976 als Wochenzeitung, seit 1971 als «Liechtensteiner Wochenspiegel».zn Da das Liech- tensteiner Volksblatt und das Liechtensteiner Va- terland als amtliche Publikationsorgane anerkannt waren, pochten die Herausgeber der neuen Zeitung gerichtlich auf Gleichbehandlung. Eine Benachteili- gung gegenüber den anderen Zeitungen wurde als Zensur aufgefasst. Der Staatsgerichtshof stellte je- doch 1965 fest, dass kein rechtlicher Anspruch für die amtlichen Kundmachungen bestehe und daher auch kein Recht verletzt sei.214 Höfling sieht dagegen in einer modernen Inter- pretation der Meinungsfreiheit - auch mit Blick auf die Europäische Menschenrechts-Konvention - die unbedingte Notwendigkeit einer Neutralität des Staa- tes im Meinungsbildungsprozess und der Gleichbe- handlung im publizistischen Wettbewerb.215 Wie zu den Leserbriefen bleibt aber auch hier festzuhalten, dass eine Ungleichbehandlung nicht der Definition von Zensur entspricht. Dies gilt auch für die weite- re staatliche Medienförderung, die seit dem Jahr 1999 entrichtet werden.216 PORNOGRAFIE Pornografische Darstellungen waren den Überwa- chungsbehörden zu allen Zeiten ein Dorn im Auge, insbesondere auch zum Schutz der Jugend.217 Ent- sprechende Regelungen existieren bis in die Gegen- wart. Das aktuelle liechtensteinische Strafgesetz re- gelt wie folgt: «Wer pornographische Schriften, Ton- oder Bildaufnahmen, Abbildungen, andere Gegenstände solcher Art oder pornographische Vorführungen einer Person, die das sechzehnte Le-bensjahr
noch nicht vollendet hat, anbietet, zeigt, überlässt, sonst zugänglich macht oder durch Ra- dio, Fernsehen oder andere elektronische Medien verbreitet, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Mo- 206) Jedes Mediensystem - nicht nur das liechtensteinische - ist ir- gendwelchen Zwängen ausgesetzt. In jüngster Zeit werden die Me- dionschalTondcn vielfach mit kommerziellen Interessen ihrer Arbeit- geber konfrontiert. Die Bedeutung der Medien im politischen Wett- bewerb und der Meinungsbildung stellt aber auch politische Erwar- tungen an die Medien. Besonderem Druck sind die Medien auch im Kriegsfall ausgesetzt, da negative Berichterstattung die Kriegsfüh- rung erschwert. Vgl. Jones 2001, S. 2607-2610 sowie - neben vielen anderen - die Beiträge zu diesem Thema von Borjesson (2004). be- treffend die gegenwärtige Lage in den Vereinigten Staaten von Ame- rika. 207) Kommentar von Chofredaktor Günther Fritz im Liechtensteiner Vaterland vom 29. Juni 2002. 208) Kommentar von Chofredaktor Marlin Frommelt im Liechten- steiner Volksblatt vom 2. Juli 2002. 209) StGII 1994/8. zit. in LFS 1995/1. S. 27. Die Aussage im Löwen- zahn 1992 Nr. 5, S. 11 lautete: «Solange solche Firmonkonstruktio- nen wie Stiftungen etc. unkontrolliert handhabbar sind, solange ver- winkelte Finanzkonstruktionen nicht transparent gemacht werden können, solange die Justiz versumpft bleibt, solange bleibt auch der Vorwurf bestehen, dass Liechtenstein ein durch und durch verkom- menes und verbrecherisches Staatsgebilde darstellt. Eine Eiterbeule im Herzen Europas, darauf spezialisiert, die <Geschäfte> von Betrü- gern. Gaunern und sonstigem Unrat zu verschleiern und somit zu ermöglichen. Eine fette Made, die von Scheissc lobt, aber nach aus- sen hin weiss ist und glänzt. Zertreten!» Ausführlicher bei Marxer 2004. S. I 13 f. 210) Vgl. ausführlich bei Marxor 2004. insbesondere S. 184-189 und S. 228-232. 211) Aktuelles Beispiel ist die Bemerkung eines Leserbriefschroibers im Liechtensteiner Vaterland vom 21. Dezember 2004, S. 14: «Da Kritik an der eigenen Regierung, wie wir selbst feststellen konnten, in der <Volksblatt>-Zensur hängen bleibt, haben wir diesen Leser- brief nur noch dem Liechtensteiner Vaterland) zukommen lassen.» 212) Dies betrifft insbesondere die beiden Parteizeitungon Liechten- steiner Volksblatl und Liechtensteiner Vaterland (bzw. dessen Vorgängororgane). Es wurden aber zeitweilig noch zusätzliche Zeitungen berücksichtigt. Vgl. Marxer 2004, S. 21-42, S. 112 und S. 159 f. 213) Ausführlich bei Marxer 2004. S. 38-42. 214) StGII 1965/11, in: Fürstliche Regierung (Hrsg.) 1973, S. 225-227. 215) Höfling 1994. S. 131 f. Ausführlicher bei Marxer 2004, S. 112 ff. 216) Marxer 2004. S. 149-15S. 217) Vgl. Jones 2001, S. 1907-1912 sowie S. 1794-1795. 169