Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2005) (104)

erste Tessiner Zeitung, 1746 gegründet, durfte über das Ausland, aber nicht über die Schweiz be- richten.95 In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich nach und nach in den Kantonen die Pressefreiheit, die in der Bundesverfassung von 1848 endgültig verankert wurde. Im aufgeklärten österreichischen Absolutismus wur- den Zensurmassnahmen vor allem in aufkläreri- scher Absicht ergriffen, wobei aber im Zentrum nicht das rationale Individuum, sondern die über- individuelle Staatsräson stand. Der Absolutismus zeigt sich im Motto «Alles für das Volk - Nichts durch das Volk». Auf der anderen Seite beeinfluss- ten auch wirtschaftliche Überlegungen die Zensur- bestimmungen. Denn es war offensichtlich so, dass die Zensur kaum die Verbreitung von Büchern ver- hindern und ebenso wenig den Druck von Büchern verhindern konnte. Verbotene Bücher wurden ge- handelt, indizierte Werke oder Autoren konnten auch in Druckereien ausserhalb Österreichs dru- cken. Eine zu rigorose Zensur behinderte dagegen die wirtschaftliche Entfaltung des Druckwesens in Österreich.96 1786 wurde von der Vorzensur abgerückt, und in einer als «Pressefreiheit» missinterpretierten Nachkontrolle die primäre Verantwortung auf die Autoren und Drucker übertragen. Diese liefen fi- nanzielle Gefahr, dass eine inkriminierte Schrift eingezogen wurde. Die Lockerung der Zensur führ- te dann allerdings zu einer Publikationsflut von - aus der Sicht der Zensoren - zweifelhafter Qualität, sodass - nicht zuletzt auch mit Blick auf che revolu- tionären Ereignisse in Frankreich im Jahr 1789 - die Zensur verschärft wurde. Der Freihandel mit Büchern - also das LIausieren - wurde noch im gleichen Jahr verboten und die Präventivzensur wurde wieder eingeführt.97 Nach dem Tod Kaiser Josephs II. 1790 wurde unter Leopold II. die Erhal- tung der traditionellen Machtstrukturen (<conser- vatio tranquillitatis>) oberstes Gebot. Unter Kaiser Franz II. und später durch den Haus-, Hof- und Staatskanzler Metternich wurde mit dem neuen Zensurgesetz von 1795 die öster- reichische Restauration vorangetrieben, nachdem 
bereits zwei Jahre zuvor in einem Hofdekret die Marschrichtung der Zensur vorgegeben wurde: Verbot von Büchern und Schriften, welche die fran- zösische Revolution günstig darstellten oder «die den Grundsätzen einer wohleingerichteten Monar- chie, und besonders der österreichischen Staaten, entgegen sind», Pressekontrolle mit dem gleichen Ziel, Beseitigung der bereits verbotenen Hausdru- ckereien.98 Eine Folge der Zensur seit 1790 war somit der Niedergang des österreichischen Druckereigewer- bes. Aus der Sicht der Autoren und Verleger waren wohl der schleppende Zensurvorgang und die un- klaren Zensurkriterien mit entsprechender Will- kürmacht der Zensoren das Hauptproblem.99 Parallel zur Entwicklung in Österreich verabschie- dete sich auch Preussen unter der Führung von Friedrich Wilhelm II. von den aufklärerischen Am- bitionen Friedrichs II. und verschärfte die Zensur- bestimmungen. In einem Schreiben hatte er sich beklagt, «dass die Preßfreiheit in Berlin in Preß- frechheit ausartet, und die Bücher=Censur völlig eingeschlafen ist».100 In der Folge wurden zahlrei- che Zeitschriften verboten.101 RHEINBUND UND DEUTSCHER BUND Der Siegeszug Napoleons in Europa brachte auf der einen Seite neue politische und geistige Impulse. Andererseits leitete er aber mit der Etablierung souveräner Staaten - unter anderem auch Liech- tensteins als Folge der Mitgliedschaft im Rhein- bund (1806-1813) - auch spätabsolutistische Herr- schaftsverhältnisse ein. Die französische Besetzung Österreichs brachte 1809 eine kurze Phase des frei- en Buchhandels im wichtigsten Bezugsland Liech- tensteins.102 Erstmals war nun die Gesamtausga- ben von Goethes Werk frei käuflich.103 Doch 1810 erlebte die Zensur mit dem Zensurgesetz bereits neuen Aufschwung. Besonders ins Visier genommen wurde die Ro- manliteratur (Gespenster-, Räuber- und Ritterro- mane), die die «Einbildungskraft mit Hirngespinn- 152
	        

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