Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2005) (104)

setzt; denn die heidnischen Kaiser wollten die christliche Religion in ihrem Reiche vertilgen und Hessen die blutigsten Verfolgungen über die An- hänger derselben ergehen. Für die rätischen Chri- sten war die Nähe der mailändischen Kirche, mit der die churrätische in inniger Verbindung stand, ein grosser Trost. Denn von daher kamen von Zeit zu Zeit fromme und heilige Männer, theils um die Gläubigen zu stärken, theils um dem Herrn neue Seelen zu gewinnen. Auch fanden viele wegen des Glaubens Verfolgte in den rätischen Thälern siche- re Zufluchtsstätten.»1"' Noch anfangs des 7. Jahr- hunderts prangerten Gallus und Columban den Götzendienst in Bregenz an, zerschlugen die Göt- zenbilder und warfen sie in den See."' Heidnische Praktiken wurden noch mehrere Jahrhunderte weiter kultiviert, vor allem im ländlichen Raum. Der innerchristliche Streit zwischen den Anhän- gern der Trinitätslehre und den Arianern führte zum ersten nachweislichen Bücherverbot der Kir- chengeschichte. Auf dem Konzil von Nizäa im Jahr 325 nach Christus betraf dies die Thalia des Arius, dessen Lehre gleichzeitig verurteilt wurde.17 494 wurde mit dem <Decretum Gelesianum> vermutlich der erste katholische Katalog verbotener Schriften, vor allem häretischer, apokrypher - also nicht in den Kanon aufgenommener - Schriften und aber- gläubischer Literatur, erlassen.18 Verbote und Zen- sur bis hin zur physischen Vernichtung von Auto- ren und Anhängern verbotener Richtungen beglei- tete die Entwicklung der Kirche, unterstützt von weltlichen LIerrschern, weiter. Inwieweit die Zensur im Übergang von der heid- nischen zur christlichen Religion und innerchristli- che Konflikte im nachmaligen Liechtenstein eine Rolle gespielt haben, ist nicht bekannt. Peter Kaiser erwähnt jedenfalls für die Zeit der Christianisie- rung: «Denn nicht nur war Rätien von Aussen be- droht, auch im Innern, in der Kirche ward Friede und Einigkeit durch immer neue auftauchende Irr- lehren und Sekten gestört, unter denen besonders die der Arianer eine ausserordentliche Ausbreitung fand.»|,J Unter Papst Innozenz III. sorgte 1215 das vierte Lateran-Konzil für eine Verschärfung der Inquisiti-onsmethode, 
in dessen Folge Untersuchungsaus- schüsse gegen Häretiker - etwa gegen die 1184 vor allem wegen der Laienpredigt exkommunizierten Waldenser oder gegen die Katharer, aus welchen sich der Begriff der <Ketzer> ableitet - und alle ver- dächtigen Gläubigen vorgingen.20 Das Rheintal war als Teil des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation dessen Politik und Rechtsetzungsakten un- terstellt und damit theoretisch in die Auseinander- setzungen involviert. Die Obrigkeit war oftmals nicht zimperlich. Der Staufer Friedrich IL etwa, Kaiser des Heiligen Rö- mischen Reiches von 1215 bis 1250, erliess für sei- ne Gebiete in Deutschland und Italien strenge Ge- setze gegen Ketzer, die mitsamt ihrem Schrifttum verbrannt werden sollten. Ab 1231 wurde die In- quisition offiziell eingesetzt, nachdem schon seit der Jahrtausendwende gegen Ketzer vorgegangen worden war.21 1252 wurde der Einsatz von Folter zur Wahrheitsfindung bei Inquisitionsprozessen durch Papst Innozenz IV. offiziell gutgeheissen, und die systematische Hexenverfolgung wurde schliess- lich 1484 durch eine Hexenbulle von Papst Inno- zenz VIII. kirchlich genehmigt sowie durch den so genannten Hexenhammer (<Malleus maleficarum>) - vermutlich von den dominikanischen Inquisito- ren Jakob Sprenger und Heinrich Institoris ge- schrieben - ab 1487 praktikabel gemacht.22 Die He- xenverfolgung zwischen etwa 1450 und 1750 wan- delte sich von einer Bekämpfung der Zauberei zu- nehmend zu einer Verteidigung des christlichen Glaubens gegen vermeintlich Abtrünnige. Dem Wahn waren alle westlichen, christlichen Kirchen verfallen. Die Verfolgung wurde von weltlichen Ge- richten vorgenommen, häufig auf der Basis von Gerüchten und von Denunziation. Im Gebiet des heutigen Liechtenstein brach der Hexenwahn erst im 17. Jahrhundert richtig aus (vgl. Ausführungen auf'S. 148). 142
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.