Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2004) (103)

ZUR ERSTVERÖFFENTLICHUNG DES ROSENBAUM- PLÄDOYERS / PETER KAMBER Lenzlinger hatte an einer Stelle seiner Ausführun- gen bereits die Erwartungen für das Plädoyer von Ro- senbaum geweckt, als er ironisch, aber keinesfalls abwertend, unterstrich: «Im übrigen werde es die Spezialaufgabe der Vertreter der Zivilpartei sein» - Dr. Ludwig Marxer und Wladimir Rosenbaum-, «den etwas eingerosteten Leumund der Rotter neu zu gal- vanisieren».34 Schon nach den ersten Sätzen Rosenbaums erhob sich wie am Vortag im Gerichtssaal von Vaduz aber Gelächter. Der Szene voraufging eine überraschend vom Gerichtsvorsitzenden verfügte zeitliche Be- schränkung der Redezeit. Die NZZ hielt den Vorfall präzise fest: «Die Vertreter der Zivilpartei werden vom. Vorsitzen- den ersucht, sich mit Rücksicht auf die ausführliche Begründung der Anklage durch den Staatsanwalt kurz zu fassen, sich darauf zu beschränken, die von ihnen geltend gemachten Ansprüche zu begründen. Rechtsanwalt Rosenbaum erhält das Wort. Er führt eingangs aus, warum er sich nicht allzu kurz werde fassen können. Es sei seine Aufgabe, sich mit den ge- gen die Rotters erhobenen Beschuldigungen ausein- anderzusetzen. Er legt dar, dass, wie jedermann, auch die Rotters als unschuldig zu gelten hätten, so- lange sie ihrer Schuld nicht überführt seien. (Rechts- anwalt Rosenbaum bittet einen der Verteidiger, nicht zu lachen, und erhält deswegen vom Vorsitzenden ei- nen Verweis.) Er begründet, warum er auch zur Gel- tendmachung des Schadenersatz-, insbesondere aber des Genugtuungsanspruchs genötigt sei, weiter auszuholen. Zwischen dem Vorsitzenden, der dem Anwalt bedeutet, dass er für die von ihm beabsich- tigten Ausführungen das Wort nicht gewähren kön- ne, und den beiden Vertretern der Zivilpartei ent- steht eine Diskussion. Der Vorsitzende bleibt fest, und Rechtsanwalt Rosenbaum, ersucht ihn darauf, die Verhandlungen für fünf Minuten zu u nterbrechen, damit er sich mit dem Staatsanwalt und seinem Kol- legen Dr. Marxer beraten könne. Nach Wiederer- scheinen erklärt Rechtsanwalt Rosenbaum, dass er sich, dem Spruch des Vorsitzenden zufügen haben werde. Er erhält Gelegenheit, seine Notizen umzuar- beiten. Dr. Marxer (Vaduz), der ehemalige Regie- rungschef-Stellvertreter, spricht inzwischen. ... 
Rechtsanwalt Rosenbaum, der nun wiederum das Wort erhält, führt aus, nachdem die Berücksichti- gung des angerichteten Schadens von Amts wegen zu erfolgen habe, könne er sich nachdem ihm die Möglichkeit nicht gegeben werde, die Ansprüche so zu begründen, wie er es für richtig halte darauf be- schränken, die Ansprüche zu nennen. Er fügte dieBe- merkung bei, dass das Bild der Opfer aus den Akten nicht richtig sei. und er es hätte richtigstellen wollen; nachdem aber das Gerichtfinde, dass es über die Per- sönlichkeit der Opfer erschöpfend unterrichtet sei, wären weitere Worte verloren. Rechtsanwalt Rosen- baum schließt mit dem Wunsche, dass die Verteidi- gung nunmehr auch ihrerseits Angriffe auf die Per- sönlichkeit der Rotters unterlassen werde. Für den Fall, dass dies nicht geschehen sollte, wäre es dann 29) NZZ, Nr. 1031, Abendausgabe, 7. Juni 1933. 30) LA Berlin, A Rep. 35S-02. Nr. 108613. Bl. 221. - Wahrscheinlich der 16-soilige (dritte) Haftbefehl vom S. März 1933; der erste Haftbe- fehl stammte vom 22. Januar 1933 (ebenda, Nr. 108612. Handakten des Generalstaatsanwalts), der zweite vom 9. Februar 1933 (ebenda. Nr. 108615 und 108613, Bl. 92-108) und der dritte vom 8. März 1933 (ebenda. Nr. 108613. Bl. 164-179); daneben liegt eine sogenannte «An- klage» vom 19. Juni 1933 vor (ebenda. Nr. 112764 und Nr. 108614). 311 NZZ, Nr. 1033, Morgenausgabe. 8. Juni 1933. 32) Aline Valangin an Rudolf-Jakob Humm:« Vaduz, 7 juin 33 ...je suis trop saisie par tout cc qui so passe ici. Le niveau est terriblement bas. les accusees sont dos types ä moitie detraques, ä l'air tout somnambu- les et d'une lächetc et läussete qui cherche son pareil. Dommage. Dommagc pour chacque mot que mon mari sera oblige ä dire. Commc la Suissc 
est encore [Unterstreichung im Original] propre. Nous rentrons peut-etre dejä demain dans la nuit». - Zentralbibliothek Zürich. Handschriftenabteilung. Nachlass Rudolf-Jakob Humm. Korrespondenz mit Aline Valangin. Fs spricht vieles dafür, dass Aline Valangin Fritz Rotter mit ihrem Wagen nach Paris gefahren hatte, und zwar in der Nacht vom 19. zum 20. Mai 1933; Rudolf-Jakob Humm fasste ihre mündliche Botschaft an ihn. «Vendredi, 8h 1/2 du soir. 19 mai [1933]», so zusammen: «Voilä plus d'une heure quo tu m'as dit que tu devais partir subitement, en <service militaire>, pour une destinalion que je ne devais pas savoir et aecompagnee d'une personnne que je ne devais pas connailre. Tu voyagerais dans ton auto, ton absence durerait detrx semaines et tu ne pourrais pas m'ecrire les premiers jours». Sie stieg, wie die folgenden Karten und Briefe zeigten, im Hotel de la Cito Bergere, Paris, ab. Sie unternahm später auch als Kurierin für die italienische Widerstandsbewegung geheime Reisen nach Paris. - Vgl. Peter Kamber: Geschichte zweier Leben (wie Anm. 1). S. 141. 33) NZZ. Nr. 1041, Morgenausgabe. 9. Juni 1933. 34) NZZ, Nr. 1037, Abendausgabe. 8. Juni 1933. 37
	        

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