Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2004) (103)

DAS BILD DES FÜRSTEN SASCHA BUCHBINDER / MATTHIAS WEISHAUPT SCHLUSSBETRACHTUNG Beim Blick zurück auf die vorliegende Untersuchung sticht zunächst ins Auge, was ungesagt blieb: Der Zu- gang zum Gegenstand war präformiert durch die Po- sition der Untersuchenden. Als Schweizer Historiker galt uns zunächst implizit die Schweizer Nationalge- schichte als Norm, an welcher wir die Geschichte des Fürstentums messen würden. Damit stand am An- fang eine Prämisse, die den Blick auf die (aktuelle) Diskussion lenkte und nach dem Verhältnis von mo- narchischen und demokratischen Elementen in der liechtensteinischen Gesellschaft fragte. Indessen er- wies sich diese Perspektive als zu eng, die Quellen sorgten rasch für Irritation. Indem wir dies zuliessen und die Herausforderung durch die liechtensteini- sche Geschichte annahmen, eröffnete sich sodann eine historische Topographie von sehr eigenem Cha- rakter. Auffallend ist, welch zentrale Bedeutung der Geschichte für die liechtensteinische Identitätsstif- tung zukommt, wobei das Fürstenhaus gleichsam die Fluchtlinie der Geschichte vorzeichnet. Im Flucht- punkt Liechtensteinischer Identität ist das Bild des Fürsten zu erkennen - ein Bild, das alle anderen hi- storischen Bilder dieser an identifikatorischen Ange- boten eher armen Historie überstrahlt. Nicht einmal annähernd lässt sich beim Identitätsangebot eine Balance zwischen bürgerlichen und fürstlichen Ge- schichtsbildern ausmachen. Bei der Betrachtung des Fürstenbildes als dem prä- genden Element einer auf nationale Identitätsstiftung angelegten historischen Erzählung ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen den spezifischen Eigen- schaften, die das Fürstenbild ausmachen, und den auch von anderen identitätsstiftenden Bildern ver- trauten Aspekten. Zu diesen allgemeinen, in ihrer Struktur von anderen identitätsstiftenden Nationalge- schichten vertrauten Aspekten gehört erstens die grundsätzliche Funktionsweise der Identitätsstif- tung. Um aus einer Bevölkerung ein Volk zu formen, braucht es zunächst eine Idee des zu schaffenden 
Volkes, ein Abbild. Folglich ist zuerst das Abbild, dann erst das Abgebildete: Das Kollektiv gewinnt als zu stiftendes Subjekt eine Vorstellung von sich, sei- ner Physis, erst über die verkennende Annahme ei- nes imaginären Selbst. Im vorliegenden Fall nimmt das Bild des Fürsten als Verkörperung des wohlge- ordneten Staates und väterlichen Lenkers die zu- 130) «An eine Lebensweise gewohnt, bei der das Hirtenleben ihm anlockender, als der beschwerlichere Feldbau ist, sucht der Liech- tensteiner sein Glück, in zügelloser Freiheit, fröhlichem Müssiggan- ge, und in der Befriedigung aller seiner Leidenschaften, wenn die gleich dem Nächsten, und dem Staate schädlich ist... (Es) gibt... noch häufige Missbräuche zu bekämpfen, die wegen der für alles Alte sich äussernden Vorliebe, und wegen der benachbarten Schweiz, wo man keine Subordination gegen obrigkeitliche Beamte kennt, sehr schwer auszurotten sein werden». Zitiert in: Batliner. Gerard: Liechtenstein - ein staatsrechtliches und politisches Porträt. In: Liechtenstein Wirtschaftsfragen. H. 13. Vaduz, 1986, S. 7. 131) Vogt, Paul: Der Lokalisierungs-Bericht von Hofrat Georg Hauer aus dem Jahre 1808. In: JBL 83 (1983), S. 71-149. 132) Quaderer, Rupert: Jahre der Retardation. Liechtensteins innenpolitische Entwicklung 1815-1848. In: Liechtenstein und die Revolution 1848. Umfeld - Ursachen - Ereignisse - Folgen. Hrsg. Arthur Brunhart. Zürich, 2000, S. 61-76, hier S. 72. 133) Siehe Anmerkung 1. 134) «Im Rahmen der Dezentralisierung sollte der Staat auch das Monopol der öffentlichen Hand abschaffen, damit Privatunterneh- men gleichberechtigt mit den öffentlich-rechtlichen Unternehmen konkurrieren können. Dort, wo der Staat ein allgemeines Interesse daran hat, eine öffentliche Dienstleistungseinrichtung zu unterstüt- zen (wie z. B. im Unterrichts- und Bildungswesen), könnte ein System von Gutscheinen oder Bezugsscheinen eingerichtet werden. ... Eine derartige radikale Umverteilung der Aufgaben zwischen Staat und Gebietskörperschaften sollte auch zu tiefgreifenden Ver- änderungen am Steuersystem führen. ... Das hohe Aufkommen an indirekten Steuern in den meisten Ländern Europas sollte ausrei- chen, um nicht nur die Kosten für eine abgespeckte Zentralverwal- tung zu decken, sondern auch die Gebietskörperschaften bei der Erledigung ihrer Aufgaben finanziell zu unterstützen». Hans-Adam IL: Die Zukunft der Demokratie. Erklärung durch seine S.D. Fürst Hans-Adam II. von Liechtenstein. «Europa und Demokratie in Ver- gangenheit, Gegenwart und Zukunft», Gipfel von Athen, 13. Septem- ber 1996. http://www.verfassung.li. 135) Hans-Adam IL: Rede seiner Durchlaucht Fürst Hans-Adam IL von und zu Liechtenstein anlässlich der Eröffnung des Landtages am 15. März 1996. http://www.verfassung.li. 219
	        

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