Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2004) (103)

1975 spricht: Ein kleines Büblein bin ich, / drum wünsch ich kurz, doch innig, / dass Gott durch viele Jahre / Franz Josef uns bewahre. - Gütig lächelt der Fürst und streichelt Franzens blonden Lockenkopf. 5. Über- glücklich eilt Franz heim. 0 Mutter, ruft er, wie ist un- ser Fürst so gut und lieb! Wenn er nur bald wieder käme.»9'' Das hier für die jungen Schülerinnen und Schüler gezeichnete Fürstenbild zeigt den Fürsten als guten und gütigen Mann, als den «lieben Landes- vater». Die Vaterrolle erhält eine besondere Akzen- tuierung dadurch, dass der leibliche Vater von Franz in diesem kurzen Stück keine Erwähnung findet: Der Fürst 
ist der Vater. Diese Überhöhung findet sich auch im letzten Abschnitt des darauf folgenden Texts «Unser Vaterland» wieder: «Bei Vaduz steht ein stol- zes Schloss. Dieses gehört dem Fürsten. Unser Fürst sorgt wie ein Vater für das ganze Land. Darum lieben wir ihn und wollen ihm stets treu bleiben.»100 Und im «Gelöbnis», welches dieses Lesebuch beschliesst, ist der väterlich geliebte Fürst nochmals das zentrale Thema:«1. Am jungen Rhein liegt Liechtenstein, / ein Ländchen klein, doch hübsch und fein, / dem beschie- den süsser Frieden. 2. Dem Ländchen klein der hell- ste Schein / strahlt von dem Fürsten Liechtenstein, / der uns umhegt und 's Ländchen pflegt, / uns allen Va- ter ist und Rater. 3. Drum ihm aufs neu wir schwören Treu. / Im Herzen klein brennt Liebe rein, / die zu ihm loht bis in den Tod.»101 Während Generationen hat dieser Lesestoff für die erste Klasse das Fürstenbild der jungen Schulkinder bestimmt. Als langfristig prägend darfauch das Fürstenbild im 1940 erschienenen Lesebuch für die Oberstufe und Realschule bezeichnet werden,102 einem Lehr- mittel, das sicher bis Ende der 1960er-Jahre verwen- det103 und das 1988, aus Anlass des 50-jährigen Re- gierungsjubiläums von Fürst Franz Josef IL, in ei- nem Reprint neu aufgelegt wurde.104 Die laut Impres- sum für 1938 vorgesehene Erstausgabe wurde um zwei Jahre verschoben, um auch den jungen Regen- ten Fürst Franz Josef IL würdigen zu können. In sei- nem Porträt nimmt das Bild des väterlich sorgenden 
Fürsten wiederum einen zentralen Platz ein: «Nun hatte das Volk in ihm seinen Fürsten, den Leiter sei- ner Geschicke in der Zukunft, aus dessen Auge die Güte seiner Väter leuchtete und in dessen Herzen die fürstliche Liebe zum Volke glühte.» Er wird als «ein gerechter Fürst und den Bedrängten und Armen ein Helfer» gepriesen, und der Schlusssatz lautet: «Franz Josef II. übernahm das Erbe seiner Väter, sein milder Sinn und sein wahrhaft fürstliches Herz führen unser Land und Volk,... das in Liebe und An- hänglichkeit zu seinem Fürsten steht. Es verehrt in ihm den guten Fürsten, den väterlichen Fürst und Wohltäter.»105 Auch bei der Schilderung der Huldi- gungsfeier von 1939 findet sich nochmals das Bild vom gütigen Vater, das zweifellos eine weit verbreite- te Erwartungshaltung spiegelt: «Das Volk Liechten- steins umstand seinen jungen Fürsten Franz Josef II., wie etwa die Kinder einer Familie an einer Festes- feier ihren Vater umstehen und ihm seine Liebe und Verehrung bekunden.»106 Näher untersucht werden müsste, welche Auswirkungen diese häufig verwen- dete Charakterisierung der Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner als <Kinder> auf das politische Selbstverständnis und Handeln hatte und ob dies un- ter Umständen eine politische Entmündigung - oder Selbstbeschränkung - der liechtensteinischen Bür- gerinnen und Bürger implizierte. Dieses Vaterbild war wichtiger Teil des Selbstbil- des von Franz Josef II. 1963, beim 25-jährigen Regie- rungsjubiläum, sprach er zu den «lieben Liechten- steinern»: «Während dieser Zeit bildeten wir eine grosse Familie, die durch Liebe eng verbunden war. Ich brauchte mich nie als Staatsoberhaupt zu be- trachten, das regiert, sondern konnte mich im wahrs- ten Sinne des Wortes als Landesvater fühlen.»107 Und in seiner Ansprache zum 45. Regierungsjubiläum 1983 meinte er rückblickend: «Ich bin Gott dankbar für die besondere Gnade, Fürst von Liechtenstein sein zu dürfen. Dies war für mich immer gleichbe- deutend, Landesvater inmitten einer grossen Fami- lie des liechtensteinischen Volkes zu sein.»108 212
	        

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