Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2004) (103)

DAS BILD DES FÜRSTEN SASCHA BUCHBINDER / MATTHIAS WEISHAUPT 1955 in seinem Amt ruhenden Adelskörper zeigen, wird nicht nur die Spaltung von Mensch und Amt darge- stellt. Vielmehr schliesst der unsterbliche obere Kör- per seine Vorgänger und Nachfolger im Amt mit ein. Besonders scharf zeigt sich dieses Weiterleben des Staatskörpers in den Effigies, den Nachbildungen verstorbener Könige, die an Stelle der Herrscher an Prozessionen teilnahmen. Die mittelalterlichen Effi- gies versteht Bredekamp dabei nicht bloss als Vor- läufer und Vorwegnahmen der Leviathan-Darstel- lung von Hobbes Frontispiz, sie dienen ihm auch zur Verdeutlichung seiner These, dass bei Hobbes der Gründungsakt des Staates verewigt ist, in welchem die Zeit gespalten und überwunden wird. Indem das Abbild des Herrschers über seinen Tod hinaus im Amt bleibt, wird das Ende der Ära verneint und die Zeit im Verweis auf die Linie des Herrscherhauses stillgestellt. Das Beispiel Liechtensteins zeigt, wie treffend die- se Beobachtung ist. Liegt hier doch die Erklärung, weshalb die liechtensteinische Geschichte ohne Null- stunde auskommt. Im Unterschied zur bürgerlichen Historie erzählt sie nämlich nicht von der Überwin- dung der Monarchie und der Entwicklung des Staats hin zum Ende der Geschichte. Ihr Zeitverlauf ist nicht linear, sondern zyklisch. Dadurch, dass ein Fürst den Staatskörper repräsentiert, verweist er stets auf sei- ne Vorgänger und Nachfahren und verspricht so die Aufrechterhaltung der Ordnung, die Überwindung des Zustandes vom Krieg aller gegen alle, wie sie das Leitmotiv für die Überantwortung der Macht vom In- dividuum zum Staat bei Hobbes darstellt. Der Fürst erscheint als Gestalt gewordenes Versprechen, dass alles so bleibt, wie es immer war. Der Körper des Für- sten ist zeitlos und beständig, oder, wie es der Künst- ler Georg Malin, der ein Fürstendenkmal aus Balzner Marmor geschaffen hatte, am 29. April 1983 aus- drückte: «Der Betrachter müsste dann inne werden, dass die liechtensteinische Gesellschaft in ihrer Re- präsentanz im Staatsoberhaupt sich im heimatlichen Gestein und Marmor begegnet.»7<* 
i i9oe 4Mt i 1956 Das Versprechen auf Erhaltung der wohlbestell- ten Ordnung baut auf der Garantie der patrilinearen Erbfolge. Dies erklärt die grosse Bedeutung, die fa- miliäre Ereignisse im Fürstlichen Haus für die liech- tensteinische Öffentlichkeit haben. Geburten, Verlo- bungen, Eheschliessungen, Geburtstage, Namensta- ge, Hochzeitsjubiläen und Todesfälle im Fürstenhaus wurden immer umgehend bekannt gemacht. Erhöh- te Bedeutung haben die fürstlichen Hochzeiten und die Geburt eines Erbprinzen, weil sie in erster Linie die Fortführung der monarchischen Ordnung anzei- gen. Grosse Beachtung fand beispielsweise die Ver- mählung von Fürst Franz Josef II. mit Gräfin Georgi- ne von Wilczek am 7. März 1943. Diese erste Für- stenhochzeit im Land verstand die Regierung als «eine neue Garantie des Weiterbestandes unseres Staates, eine neue Sicherheit für die Zukunft...», wie dies Regierungschef-Stellvertreter Dr. Alois Vogt bei der Festansprache ausdrückte. Und der Landesfürst gedachte in seiner nächsten Neujahrsbotschaft «an das Fest meiner Hochzeit, bei welchem die unlösbare Zusammengehörigkeit von Thron und Volk durch die Anteilnahme der ganzen Bevölkerung zum Ausdruck 73) Marxer, Johann Georg: Dem Gedenken unseres grossen Heimat- komponisten Josef Rheinberger anlässlich des 25. Todestags gewid- met. [Vaduz, 19261. 74) Katalog Schweiz / Liechtenstein, S. 480 f. u. 509: 1938/39 Briefmarken zum 100. Geburtstag von Josef Rheinberger: 1964 Briefmarke zum 100. Todestag von Peter Kaiser. 75) Liechtensteiner Volksblatt, 17. August 1966, zitiert nach Liech- tenstein 1938-1978, S. 342. 76) Liechtensteiner Volksblatt, 16. August 1976, zitiert nach Liech- tenstein 1938-1978, S. 484. 77) Kantorowicz, Ernst H.: The King's Two Bodies. A Study in Medieval Political Theology. Princeton, 1957. 78) Den Vorschlag der Einführung einer politischen Zeit entwickelt Horst Bredekamp ausgehend von Kantorowicz. Bredekamp, Horst: Politische Zeit. Die zwei Körper von Thomas Hobbes' Leviathan. In: Geschichtskörper. Zur Aktualität von Ernst H. Kantorowicz. Hrsg. Wolfgang Ernst und Cornelia Vismann. München, 1998, S. 105-118. 79) Der Landesfürst, S. 37. 207
	        

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