Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2004) (103)

1929 Körpers versinnbildlicht - dargestellt auf dem berühmten Frontispiz seines Werkes als ein Körper, gebildet aus den Leibern der ihm zustimmenden, sich unterwerfenden Individuen. Dabei wird der Le- viathan nicht zum Staat selbst, er bleibt in seiner dar- gestellten Körperlichkeit ein Denkbild: Vorwegnah- me und Versinnbildlichung des wohlgeordneten Staates. Sein Abbild ist nie identisch mit dem Darge- stellten; der Körper des Staates bleibt stets die Ver- körperung eines Dritten. Schon bei Hobbes ist diese Nicht-Identität im Akt der Autorisierung angelegt, indem die Bürger ihre Autonomie nur dann dem Kol- lektiv übertragen, wenn auch der Nachbar bereit ist, dies zu tun.11 Der Citoyen wird also erst durch die Handlung des anderen zum Bürger, er macht sich ab- hängig von dessen Zustimmung und schafft so erst mittelbar den Dritten, den Leviathan als den gemein- samen Staat. Dass hierbei die Übertragung von Macht keine blosse Weitergabe darstellt, ergibt sich darüber hinaus aus dem Wesen der Macht. Der Vor- gang gehorcht nicht der Gesetzmässigkeit einer ma- thematischen Grundoperation, sondern verläuft dy- namisch. «Die Natur der Macht», stellt Hobbes fest, «ist in diesem Fall dem Gerücht ähnlich, das mit sei- ner Verbreitung zunimmt, oder der Bewegung schwe- rer Körper, die desto schneller wird, je weiter sie sich fortbewegen.»12 Die Machtentfaltung entspricht nicht einfach dem physisch vorhandenen Gewaltpotential einer Herrschaft, nicht dem Militär- und Polizeiappa- rat, sondern fusst - analog dem Gerücht, das mit sei- ner Weitererzählung an Gewicht gewinnt - auf zuge- schriebener Macht.1:! Zugeschrieben wird diese Macht dem Staat durch die Bürger. Über die Vorstellung - das Bild, das sich die Bürger vom Staat machen - stellt sich politische Herrschaft folglich nicht bloss dar, sondern sie konstituiert sich in diesem Bild. Das mag paradox klingen, und doch entspricht die Funk- tionsweise dieses Vorgangs jener bekannten Dialek- tik, die der deutsche Philosoph Hegel in seiner Phä- nomenologie beschrieben hat, wenn er feststellt, 
1930 dass sich das herrschaftliche Bewusstsein nur über den Knecht zu konstituieren vermag.14 Angewandt auf die Beziehung von Staatskörper und Bevölkerung wird evident, dass das Bild des Herrschers für die Machterhaltung von grösster Be- deutung ist. Schon Fürst Karl Eusebius aus dem Hau- se Liechtenstein wies 1680 implizit auf die Bedeu- tung der Möglichkeit zur Inszenierung der Macht hin, wenn er seinen Sohn ermahnte: «Ein Fürst ohne Ein- kommen ist <nichts und ein ehlender mensch, ein fürst hat und bedarf viell ausgaben und also viell in- traden>.»ir> Die Darstellung der Macht bedurfte stets erheblichen Aufwandes, und nur diese Darstellung stellte sicher, dass der Fürst als Herrscher und nicht als «ehlender mensch» wahrgenommen wurde. 196
	        

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