Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2003) (102)

gleichzeitig neu ausgebauten Sammlungsschwer- punkt der italienischen Frührenaissance zeigte. Eine besondere Einschränkung hatte Johann II. in der Genremalerei getroffen: statt verschiedenste Richtungen des biedermeierlichen Genres zu zei- gen, bevorzugte er Szenen biedermeierlicher Werte wie Mutterglück oder schlichter Frömmigkeit. Eine grosse Vorliebe zeigte der Fürst für das einfigurige Genrestück. Demnach waren auch Bildnisse von genrehafter Darstellung häufig vertreten. Die Tat- sache, dass nur noch die Künstlerbildnisse eine letzte, abgrenzbare Werkgruppe bilden, verweist auf die Neigung des Sammlers zu Inhalten, die über das rein Abbildende hinausgehen. Die Auswahl aus den Künstlerceuvres scheint ge- nau überlegt gewesen zu sein. Von Ferdinand Ge- org Waldmüller waren Beispiele aus dem Früh- werk sowie die Landschaften aus dem Salzkam- mergut, der erste künstlerische Höhepunkt in Wald- müllers Werk, zu sehen. Friedrich Gauermann und Rudolf von Alt waren mit einem Querschnitt aus beinahe allen Schaffensphasen vertreten. Schon 1882, als der Biedermeierstil vergessen war und das Publikum sein Augenmerk auf Künst- ler im Umkreis von Hans Makart gerichtet hatte, hatte Johann II. sein erstes Gemälde des Wiener Biedermeier erworben. Im Jahr 1891 hatte der Fürst bereits sieben der 13 Waldmüllerbilder ge- kauft, die 1927 in der Galerie Liechtenstein zu se- hen waren. Erst 1906 ist der erste Ankauf eines Bildes von Fendi überliefert, obwohl dieser schliess- lich zusammen mit Gauermann, Alt und Waldmül- ler zu den am besten vertretenen Künstlern in der Galerie gehörte. Einige Jahre nach dem Kauf der ersten Wiener Biedermeiergemälde machte der Historiker Albert Ilg auf die Bedeutung der Betrachtung eigener, lo- kaler Geschichte zur Bildung einer selbstbewuss- ten, patriotischen Gesellschaft aufmerksam. Als Bei- spiele eigener Kunstproduktion führte er die Maler des Wiener Biedermeier an. Mit ihrer Darstellung österreichischer Bürger und Landschaften ermög- lichten sie die Erinnerung an die eigene Vergan- genheit. 
1894 schenkte der Fürst rund 30 Biedermeier- gemälde dem Historischen Museum in Wien. Die Schenkung war höchstwahrscheinlich durch einen Aufruf der Stadt Wien für Bilderspenden, um die Gründung der Modernen Galerie zu beschleunigen, motiviert. Der Aufruf war im Frühjahr 1894 ergan- gen und im August des gleichen Jahres hatte der Fürst die Bilder der Stadt geschenkt. Die Schenkung an das Historische Museum lässt vermuten, dass der Fürst diese Kunst mit ihren Darstellungen Alt-Wiens, der Wiener Bürger und österreichischer Landbevölkerung sowie der öster- reichischen Landschaften als historisches Element begriff, das zur Veranschaulichung der eigenen Ge- schichte beitragen konnte. Wenn die Biedermeierbilder zudem bewusst der Stadt und nicht etwa der staatlichen Gemälde-Gale- rie der Akademie geschenkt wurden, so würde der Aufstellungsort im Neuen Rathaus, sozusagen im Umkreis der Stadtväter, wo das Historische Muse- um beheimatet war, wiederum auf die lokalpatrio- tische Betrachtung dieser Kunst hinweisen und ihre Aussage unterstützen. Ein Vergleich der Werke in der Galerie Liechten- stein mit den Werken der Schenkung an das Histo- rische Museum hat gezeigt, dass Johann II. vor al- lem Werkgruppen verschenkte, die nicht in der Ga- lerie zu sehen waren, wenn auch von höchster Qualität. Der weitere Vergleich mit den zeitgenössi- schen Kritiken zur Wiener Biedermeiermalerei und dem zeitgenössischen Urteil in der allgemeinen Kunstgeschichtsschreibung hat ergeben, dass Fürst Johann IL mit der Werkauswahl für die Galerie stark Rücksicht auf die Beurteilungen der Kunstkri- tiker und Kunsthistoriker nahm. Doch ergab er sich deren Urteil, zum Beispiel mit den Frühwerken Waldmüllers, den Italienbildern und auch mit der grossen Auswahl an Künstlern, die in keiner Kritik erwähnt wurden, nicht bedingungslos. Sowohl die Kunstkritiken um 1900 über die Ma- lerei der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als auch die Ausstellung in der Galerie Liechtenstein machen deutlich, dass zu Anfang der Biedermeier- rezeption nur eine zeitliche Abgrenzung möglich war; Romantiker und Biedermeiermaler wurden in 74
	        

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