Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2003) (102)

FÜRST JOHANN IL UND SEINE SAMMLUNG DER WIENER BIEDERMEIERMALEREI / ROSWITHA FEGER Die Bedeutung des Fürsten Johann II. als Sammler in Wien um 1900 Aufgrund der Bedeutung der Galerie Liechtenstein in Wien und auch des historischen Charakters der Sammlung konnte und wollte Johann nicht aus- schliesslich den eigenen Vorlieben folgen, sondern fühlte sich zu einer umfassenden Sammeltätigkeit verpflichtet. Als regierender Fürst ausserhalb sei- nes Landes war es ihm aber nicht möglich, in Wien als Monarch und damit kunstpolitisch agierend aufzutreten. Johann IL hatte in Wien eine besondere gesell- schaftliche Stellung. Österreich-Ungarn war sein Heimatland; in Mähren geboren und aufgewach- sen, verbrachte er sein ganzes Leben in Wien. Als Monarch des entfernt liegenden Staates Liechten- stein enthielt er sich jeglicher Meinungsäusserung zum politischen Geschehen in der Habsburger Monarchie und, seit 1918, in der Republik Öster- reich. Er wahrte absolute Neutralität. Damit war er einerseits das Oberhaupt des traditionsreichen Adelshauses der Liechtenstein, andererseits aber auch Privatmann. In Wien hatte das private Sammlertum seit der zweiten Jahrhunderthälfte einen Aufschwung er- lebt, dennoch gab es dort keine in solchem Masse herausragende Sammler der Malerei, wie es zum Beispiel König Ludwig I. (1786-1868) und Graf Schack (1815-1894) in München oder etwa Graf Raczynski (1788-1874) in Berlin waren. Soweit die Sammlungen bekannt waren, wurden in Wien vor allem die Werke alter oder moderner Meister ge- sammelt.315 Im Gegenteil leitete der Regierungsantritt Kaiser Franz Josephs im Jahr 1848 das sogenannte «Zeit- alter der Staatspatronanz der Künste» ein.316 Beispielhaft auch für andere europäische Staa- ten verfolgte Österreich in dieser Zeit mit der För- derung von Kunst und Künstlern verschiedene Zie- le. Unter anderem sollte das internationale Prestige durch die Vertretung österreichischer Künstler in den Weltausstellungen gehoben werden. Ausser- dem versuchte die Regierung, die interne Stabilität durch verstärkten Patriotismus mit Hilfe der Förde- rung nationaler Kunst und Künstler zu festigen.317 Überdies herrschte in Wien, zurückgehend auf das josephinische Zeitalter, eine lange Tradition pa-triarchalischer 
Fürsorge, unter die auch das geisti- ge Wohlergehen der Bürger fiel. Damit verbunden war die Heranbildung von Künstlern, die Förde- rung und der Schutz des Schaffens lebender Künst- ler und der Gegenwartskunst, die Erhaltung und der Ausbau von Kunstsammlungen und Denk- mälern, aber auch die Erziehung des Volkes zum Kunstverständnis.318 Neben diesen vielfältigen Aufgaben des Staates setzte sich Kaiser Franz Joseph am Anfang seiner Regierungszeit vor allem für die Verschönerung Wiens ein. Nach dem Aufstand des Jahres 1848 schien es erforderlich, die Majestät der Person und die Funktion des Kaisers zumindest nach aussen hin zu bestätigen, um die Macht der Dynastie und damit auch des Staatswesens zu festigen. Das Er- gebnis dieser Bemühungen war die Ringstrasse,319 die erst in der Folge zum Denkmal des bürgerli- chen Aufstiegs wurde. Doch während der österreichische Staat oder die deutschen Privatsammler sich vor allem der zeitgenössischen nationalen Kunst zuwandten, wie Ludwig L, Schack oder der Berliner Privatsammler Raczynski dies taten,320 sammelte Johann IL insbe- sondere die Wiener Malerei der Generation seines 308) Ebenda, S. 450 f. 309) Ebenda, S. 451. 310) In: Grimschitz. Bruno: Die österreichische Zeichnung im 19. Jahrhundert. Zürich, Leipzig. Wien, 1928, S. 11-16. - Im Folgen- den zitiert als: Grimschitz 1928. 311) Ebenda. 312) Börsch-Supan (wie Anm. 38). S. 338 f. 313) Grimschitz 1928. S. 14. 314) Tietze, Hans: Wien. Wien. Leipzig, 1931, S. 323. 315) Lediglich Direktor Ludwig von Neurath besass eine Sammlung Altwiener Meister. Donath, Adolph: Psychologie des Kunstsam- melns. .3., vermehrte Aull. Berlin, 1920, S. 96 f. 316) Heerde, S. 33. 317) Ebenda. S. 38 ff. 318) Ebenda, S. 42. 319) Ebenda. S. 33. 320) Pophanken (wie Anm. 31), S. 194. 71
	        

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