Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2003) (102)

In erster Linie galt die Anerkennung selbstre- dend Waldmüller. Tschudi schätzte besonders Waldmüllers Landschaften, die er mit naivem, be- wunderndem Blick für die Natur erfasse. Seine Zeitgenossen hätten nach Tschudi Waldmüllers Landschaftskunst verkannt, indem sie nur «... für seine pausbackigen Bauernkinder schwärmten».291 Aber er sei in Wahrheit einer der Vorläufer des Pleinairismus gewesen.292 Auch Waldmüllers Bild- nisse schätzte Tschudi und lobte vor allem die Frauenporträts. Obwohl diese aus heutiger Sicht das traditionellste Element in Waldmüllers Kunst darstellen, schien gerade das sinnliche Kolorit und die duftige Stofflichkeit den sonst so modern einge- stellten Museumsdirektor zu begeistern.293 Die Wie- ner Porträtisten Daffmger, Danhauser, Eybl, der junge Pettenkofen und Amerling kämen, laut Tschudi, Waldmüller nahe. Die Genremaler Fendi, Schindler, Treml und nochmals Danhauser seien einer leichten Sentimentalität verfallen, jedoch mit «weicher Grazie» und «fröhlicher Farbigkeit». Ru- dolf von Alts Frühwerk schätzte Tschudi maleri- scher als sein Spätwerk ein.294 Ausser Danhauser waren alle diese Künstler in der Galerie Liechten- stein mit mindestens einem Werk zu sehen. Tschudi ordnete hier erstmals das Frühwerk Pettenkofens dem Biedermeier zu. Die Werke die- ses Künstlers in der Galerie Liechtenstein sind nicht datiert, gehören stilistisch aber wohl eher zu seinem Spätwerk. Folgerichtig wurden seine Ge- mälde auch in Saal XV der Galerie gezeigt, zusam- men mit Werken der zweiten Hälfte des 19. Jahr- hunderts und der deutschen Schulen.295 Rudolf von Alt war der einzige Künstler, an dem sich die Geister schieden. Der deutsche Schriftstel- ler und Kunstkritiker Franz Dülberg lobte ihn ohne Einschränkung in seinem sonst sehr kritischen Be- richt über die deutsche Jahrhundertausstellung als einzigen Wiener Künstler, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gross geworden war. Alts Bil- der aus Venedig stellte Dülberg sogar vor jene Ca- nalettos und Guardis. Die Aquarelle, eigentliche Ve- duten, würden durch den «sehr gescheiten Aus- schnitt» zu Landschaftsporträts und trotz seiner äussersten Genauigkeit vermeide seine eigene 
Handschrift und sein geistreicher Vortrag das skla- vische Abbilden.296 Dülberg achtete auch die Landschaftsmalerei Waldmüllers besonders. Lobte er hier die fein ab- gestufte Farbigkeit, so verurteilte er das kontrast- reiche Kolorit der Genrebilder.297 An Danhauser bemängelte er die alles bestim- mende «Behaglichkeitsnote»; Franz Eybl sei in Genrestücken oft «unleidlich larmoyant».298 Allein die Wortwahl malt ein deutliches Bild, was im All- gemeinen von den weniger herausragenden Wie- ner Künstlern zu halten sei. Einzig noch Amerling konnte aus dieser Wertung treten, indem Dülberg dem Künstler sogar eine gewisse vornehme Überle- genheit zugestand - doch dass Amerling diese nicht in Wien, sondern bei seinem englischen Vorbild Thomas Lawrence und in Paris bei Horace Vernet gelernt habe, vergass er nicht zu betonen.299 Richard Hamann schloss sich in seinem «Gang durch die Jahrhundertausstellung» der allgemei- nen Wertung von Waldmüllers Kunst an: Die Land- schaften der 1830er Jahre seien das Beste, das die- ser geschaffen habe, die späten Landschaften mit Genreszenen fielen dagegen ab. Neben Waldmüller ging Hamann noch auf Peter Fendi und Josef Dan- hauser ein. Fendi sei wienerischer als Waldmüller, wohl nicht zuletzt, da seine öfter vorkommenden Frauenfiguren im Neglige einer gewissen Pikante- rie nicht entbehrten, ungeachtet des moralisieren- den Bildthemas. Ein Beispiel dafür sei die «Trauri- ge Botschaft» von Fendi (Abb. 41),300 die der Fürst dem Historischen Museum geschenkt hatte. Insgesamt wurden die Wiener Künstler in Berlin ihrer satten Farbigkeit und grossartigen stofflichen Wiedergabe wegen gelobt; ihr technisches Können wurde bewundert. Ausserdem wurde bei den mei- sten Malern die Selbstverständlichkeit im Ausdruck hervorgehoben. Bei Waldmüller nur teilweise, bei allen anderen bemängelten die Kritiker eine unan- gemessene Sentimentalität und überladene Erzähl- freude. Die Malerei sei zu ausgeprägt im Detail, es fehle schlicht die wahre Grösse. 68
	        

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