Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2003) (102)

Ähnlich verhält es sich auch mit den anderen Gemälden der Schenkung. Dies waren Werke der Künstler Amerling, Josef Danhauser (1805-1845), Eybl, Fendi, Gauermann, A. George Mayer, Ranftl und Schindler. Der einzige Künstler, der in der Schenkung, nicht aber in der Galerie vertreten war, ist Josef Danhauser. Ausser Waldmüllers Land- schaften beinhaltete die Schenkung ausschliesslich Genrebilder und Bildnisse. Wiederum waren es Themen schlichter Volksfrömmigkeit, aber auch mitleiderregende Genrestücke. Letztere waren in der Galerie Liechtenstein nicht zu sehen. An dieser Stelle soll auf den Unterschied der mit- leiderregenden Genrestücke zu den die Tugenden veranschaulichenden Bilder der Galerie Liechten- stein noch einmal eingegangen werden, um die in- haltliche Verschiedenheit der Genrebilder in der Galerie von den Bildern der Schenkung hervorzu- heben. Eines der Hauptwerke Fendis, «Die Trauer- botschaft»223 (Abb. 41), gehört heute noch zu den bedeutendsten Wiener Biedermeiergemälden des Historischen Museums. Ein Offizier tritt in eine Dachkammer ein, um der jungen Witwe mit ihren beiden Kindern mitzu- teilen, dass ihr Mann in der Schlacht gefallen sei. Das Unglück hatte die Familie ereilt, als der Vater den Dienst für sein Heimatland leistete. Diese Ver- bindung von Tugend und Unglück erleichtert das Mitleiden. Das Elend wird nicht verurteilt, sondern wertbeladen.224 Die weinende junge Frau mit dem Säugling auf dem Schoss und dem kleinen Jungen, die ärmli- chen Verhältnisse und das Unglück, das diese Fa- milie ohne eigenes Verschulden trifft, steigern die Tragik der Situation. Stimmungseffekte wie die to- nige Farbigkeit und die idealisierten Gesichter tra- gen ihren Teil zur bedrückenden Wirkung dieses Gemäldes bei.225 Nicht das Thema «Tugenden und Laster», oder «arm und reich» ist hier veranschau- licht, sondern das Schicksal, das die Menschen ohne deren Verschulden treffen kann. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts glaub- te man, dass die sozialen Tugenden nur von Mitleid ausgehen könnten.226 Doch gerade diese Botschaft, die in den Genrestücken des Biedermeier so oft 
mitgeteilt wurde, vermittelten die Gemälde in der Galerie Liechtenstein nicht. Nicht soziale Tugen- den, sondern persönliche oder auf den kleinen Kreis der Familie bezogene Werte sind dort thema- tisiert. DIE FÖRDERUNG NATIONALER KUNST DURCH DEN PRIVATSAMMLER FÜRST JOHANN II. VON LIECHTENSTEIN Fürst Johann II. von Liechtenstein verband mit der Schenkung keine Absicht, zumindest schweigen hier die Quellen. Die Tatsache, dass die Gemälde dem Historischen Museum geschenkt wurden, scheint aber ein bestimmtes Ziel zu verfolgen. Schliesslich war die Zeit des ausgehenden Histo- rismus um 1900 immer noch stark geschichtsori- entiert. Im 19. Jahrhundert entstanden überall Hi- storische Museen oder Nationahnuseen, deren Streben es war, die Bevölkerung mit der Geschichte der Nation vertraut zu machen. Besonders in ei- gentlichen Vielvölkerstaaten wie der Habsburgi- schen Monarchie suchte man auf diese Weise eine nationale Identifikation zu ermöglichen.227 Bedenkt man nun den Anteil an moralisierenden Genrebildern, die der kulturellen Bildungsinstituti- on zukamen, so scheint die erzieherische Absicht offensichtlich. Die bildenden Künste sollten in die historische Dokumentation mit einbezogen wer- den.228 Der Fürst begriff also die Kunst, insbeson- dere die Wiener Biedermeiermalerei, als histori- sches Element, und zwar nicht nur dann, wenn der Bildinhalt auf historische Ereignisse oder Gegeben- heiten Bezug nahm. Seiner Ansicht nach stellte nicht das Thema, sondern bereits die zeitgenössi- sche Art der Darstellung und natürlich die künstle- rische Leistung der Österreicher den Bezug zur Na- tion und ihrer Geschichte her. Da der Fürst ein Mensch mit ausgeprägtem historischem Bewusst- sein war - wie seine zahlreichen Unterstützungen geschichtswissenschaftlicher Projekte beweisen229 - könnte die Einbeziehung von Kunst in die Ge- schichtsdokumentation durchaus seine Absicht ge- wesen sein. 58
	        

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