Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2003) (102)

auf die vom Kloster geleisteten Rodungen und die Viehwirtschaft.22 Vermutlich liess sich Schänis die Besitzungen bestätigen, weil sie unter fremden Zugriff zu gera- ten drohten - und blieb damit ohne Erfolg: Nur sechzehn Jahre später, 1194, gab ein Rüdiger von Limpach die Kirche in die Hände von Kaiser Hein- rich VI., damit dieser sie den Prämonstratensern von St. Luzi in Chur weiterreichte: ecclesiam in Bendura in manu nostra resignavit, ea condicione, ut nos eam ecclesie sancti Lucii concederemus ... ita ut fratres predicti loci ecclesiam illam habeant, teneant perpetuo et possideantP Von irgendwel- chen Rechten des Klosters Schänis - oder gar des Stiftes Roggenburg - ist hier überhaupt keine Rede, vielmehr finden wir nun die ganze Kirche als Reichslehen in der Hand eines Reichsministerialen aus dem Linzgau.24 Hier fliessen wohl zwei Grundlinien der räti- schen Geschichte des 12. Jahrhunderts zusammen. Zum einen suchten sich seit dem Investiturstreit Adelige und Ministeriale aus den zentralen Land- schaften Schwabens in Rätien ein neues Betäti- gungsfeld, seitdem die Verdichtung der Herrschafts- verhältnisse in ihrer Heimat den Ambitionen klei- nerer Herren nur mehr wenig Raum liess.25 Der Reichsdienst in Rätien bot ihnen willkommene Ent- faltungsmöglichkeiten: Da sich die staufischen Herrscher um den Zugang zu den Bündner Pässen sorgten, statteten sie zahlreiche Ministeriale ent- lang dieser Wege mit reichen Lehen aus. So ent- standen zahlreiche Wechselbeziehungen zwischen Rätien und dem Bodenseeraum.26 Zum anderen nutzte Kaiser Friedrich I. Barbarossa gezielt seine Vogteirechte über Klöster, um diese Klöster ver- stärkt zur Unterstützung seiner Reichspolitik her- anzuziehen; die Schirmvogtei über Schänis war ihm mit dem Tode Graf Ulrichs IV. von Lenzburg zugefallen.27 Als Vogt von Schänis erachtete Barba- rossa den Benderer Kirchhügel bei seinem Ministe- rialen Rüdiger von Limpach vielleicht als besser aufgehoben denn beim Frauenkloster;28 der kon- krete Beweggrund hierfür war wohl die erwähnte Sorge um die Sicherung des Verkehrsweges zu den Bündner Pässen. 
Indes behielt Rüdiger von Limpach das Lehen nur wenige Jahre und übergab es dann dem Prä- monstratenserstift St. Luzi zu Chur. Die Legende berichtet, Rüdiger sei damit einem Gelübde seines vermissten Söhnleins wegen nachgekommen; sie schöpft aus einem offenbar verbreiteten Sagenmo- tiv.29 Die Urkunde von 1194 enthält keinerlei Hin- weis auf solch ein Gelübde, sondern nennt lediglich die spes retributionis eterne, also Rüdigers Hoff- nung auf eine Vergeltung im Jenseits als Motiv sei- ner Schenkung. Das ist durchaus glaubwürdig; da- mit ist jedoch nicht geklärt, warum ausgerechnet St. Luzi von den Jenseitshoffnungen des Ministeria- len profitierte. Mit ausschlaggebend mag sicher ge- wesen sein, dass es sich bei St. Luzi um ein Prä- monstratenserstift handelte: Die Prämonstratenser kamen infolge ihres innerweltlichen Engagementes vielfach in den Genuss von Zuwendungen durch Laien; und zur fraglichen Zeit stand ihre Bewegung in voller Blüte.30 Es ist nicht ausgeschlossen, dass Rüdiger von Limpach und das Kloster St. Luzi die Schenkung von Bendern von langer Hand vorberei- tet hatten; jedenfalls hatte sich St. Luzi wenige Jah- re zuvor von Herzog Friedrich von Schwaben versi- chern lassen, dass er seinen Ministerialen Güter- übertragungen an St. Luzi wie auch ihren Eintritt in den Konvent gestattete.31 Man ahnt also, dass es nicht bloss individuelle Vorlieben und Abneigungen waren, die das Schick- sal der Benderer Kirche bestimmten. Tatsächlich scheinen hier handfeste politische Interessen durch: Das Kloster Schänis hatte sich den Besitz von Ben- dern im Jahre 1178 von Papst Alexander III. be- stätigen lassen, einem langjährigen, erbitterten Staufergegner.32 Demgegenüber darf der Besitz- nachfolger Rüdiger von Limpach als Reichsministe- riale sicherlich zum treuen Stauferanhang gezählt werden. Indem Rüdiger von Limpach sein Lehen ausgerechnet an St. Luzi schenkte, entzog er es al- lerdings zugleich wieder dem staufischen Einfluss; anders als etwa Schänis unterstand dieser Konvent keiner Vogtei.33 Vielleicht bezog sich Rüdigers Sor- ge um sein Seelenheil ja auf die ungeklärten Um- stände, unter denen er an die Kirche von Bendern gelangt war. 96
	        

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