Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2002) (101)

Vorschriften für ein gottgefälliges Leben Zunächst enthält die 
Polizeiordnung Vorschriften für ein gottgefälliges Leben der Untertanen. Damit sollte verhindert werden, dass der Zorn Gottes in Form von Strafen über das Land kommt.283 Das Übergreifen des Staates auf dieses Gebiet beweist, dass die geistlichen Kräfte, die das Mittelalter ge- tragen haben, deutlich geschwächt waren. Eine ge- wisse Säkularisierung der Kirchenzucht war die Folge.284 Zu diesen Vorschriften gehört zunächst die Anweisung, an Sonn- und Feiertagen nicht zu arbeiten.285 Ausgenommen davon sind bestimmte Berufsgruppen, deren Dienstleistung man auch an einem Sonntag in Anspruch nehmen muss wie Schmied, Rädermacher, Sattler oder Seiler. Beson- deres Augenmerk richtet der Gesetzgeber darauf, dass die Untertanen nicht fluchen, schwören und Gott lästern. Dies dürfte, nicht nur in der Graf- schaft Vaduz, eine Alltäglichkeit gewesen sein: «Wür aber leyder durch tägliche erfahrung be- finden, daß solch gebot von vilen menschen, jung und alten, manns- und frauen persohnen gott er- barms, vilfältig und leichtfertig überschritten, da- durch dan der allmächtige gott schwärlich beleidi- get, und auch wür armen menschen hierin zeitlich und dort ewiglich seiner göttlichen gnaden beraubt und unwürdig worden ...».286 Die Priester werden aufgefordert, Achtung darauf zu haben, dass die Untertanen in dieser Beziehung nicht fehlgehen und selbst ein gutes Vorbild zu ge- ben, was darauf schliessen lässt, dass auch dieser Stand öfters Anlass zum Ärgernis gegeben hat. Wird jemand beim Fluchen erwischt, so soll er bestraft werden. Hier wird kein Unterschied ge- macht, ob der Missetäter nüchtern oder betrunken war. Betrunkene Flucher und Schwörer werden so- gar zu ihrer Ausnüchterung bei Wasser und Brot in den Turm gesperrt.287 Gnade erfährt nur jemand, der offensichtlich Reue zeigt und verspricht, nie wieder zu fluchen und zu schwören. Um die Anzeigepflicht zu gewährleisten, wird auch demjenigen, der es unterlässt, einen Flucher zu denunzieren, eine Strafe angedroht. Hart be-straft 
werden auch die Eltern eines Kindes unter zwölf Jahren, welches beim Fluchen erwischt wird. Man soll sie «... vor unseren ambt leuten oder ganz gesesse- nen gericht mit einer ruthen in grosse einer henckers ruthen dermassen, einem anderen zum exempl, darumben zichtigen und hauen, bis man ein gutes begnügen hat».288 Als Gotteslästerung gilt auch jegliche Art von Aber- glauben. Wahrsager und Zauberer sollen des Lan- des verwiesen werden.28'' Damit soll die Religion des Landes vor Spaltung geschützt werden. Gleich- zeitig wird den Untertanen auch verboten, Zaube- rer und Wahrsager aufzusuchen, was sicherlich häufig praktiziert wurde. Zuwiderhandelnden wird sogar eine Turmstrafe angedroht. Vermeidung von Luxus Ebenfalls zum gottgefälligen Leben gehört 
die Ver- meidung von Luxus, mit der sich die Hochzeits-, Tauf- und Begräbnisordnungen befassen. Diese Einschränkungen dienten aber auch dazu, die Un- tertanen in die Schranken ihres Standes zu verwei- sen und ein allzu üppiges Leben zu vermeiden. Die- se Vorschriften waren sicherlich nur für das niede- re Volk gedacht, auch wenn dies nicht ausdrücklich erwähnt wird.290 Als Grund für diese Verordnungen gibt der Gesetzgeber an, die Gastgeber sollen davor bewahrt werden, sich bei Feierlichkeiten in Unko- sten stürzen zu müssen. Man versuchte, grosse Ausgaben zu verhindern, da sich dies offensichtlich auf die Preisbildung ungünstig auswirkte.291 Bei Tauffeiern wird einerseits geregelt, wie das Tauf- mahl beschaffen sein soll (nur ein Tisch voll Gäste darf geladen werden, es dürfen nur bis zu vier Gänge bei den Mahlzeiten serviert werden), ande- rerseits werden auch die Geschenke an die Kind- betterin eingeschränkt. Desgleichen befasst sich die Polizeiordnung mit Begräbnissen, wobei den Untertanen vor allem der üppige Leichenschmaus vorgeworfen wird: 60
	        

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