Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2002) (101)

«LANDTS BRAUCH, ODER ERBRECHT» KARIN SCHAMBERGER-ROGL mittelbaren Herren, Ritter und Städte, denen es zur Pflicht gemacht wurde, die Vorschriften des Reichs an die Stellen weiterzuleiten, die ihnen unmittelbar Gehorsam schuldig waren. Polizeiordnungen wurden also vom jeweiligen Landesherrn erlassen. Warum riefen sie dann kei- nen Widerstand des Volkes hervor, welches doch in diesen Neuregelungen einen Konflikt mit dem überkommenen Rechtsverhältnis sehen musste? Zunächst muss man festhalten, dass die Vorstel- lung, nach der das Recht durch Weistum festge- stellt werden müsse und jegliche Satzung etwas an- deres als Recht sei, in den letzten Jahrhunderten des Mittelalters langsam an Bedeutung verlor.262 Dazu kommt noch die Lehre der Juristen, dass eine Satzung Recht wird, wenn sie vom Kaiser oder Landesherrn bestätigt wird. Zusätzlich zielten die Polizeiregelungen auch auf die Wahrung des «guten alten Rechts» ab, da sie ja helfen sollten, die überlieferten Zustände und die alte Ordnung zu erhalten.263 Diese Funktion der Missbrauchs- und Missstandsabwehr ordnete die Polizeigesetzgebung der landesherrlichen Gerichts- barkeit zu. Es war auch eine landesherrliche Aufgabe, be- sonderer Not abzuhelfen.264 Da die Regelungen der Polizeiordnungen sich auch auf diese Verpflichtung beriefen, standen sie nicht im Gegensatz zur herr- schenden Rechtsauffassung. Letztendlich lässt sich auch feststellen, dass die Landesherren darauf bedacht waren, nicht neues Recht einzuführen, sondern immer die alten Rech- te zu sammeln, zu sichten und möglichst in das Ge- setz einzuarbeiten.265 Das Wort «Polizei» ist kein statischer Begriff, der einfach zu definieren wäre. Im Laufe der Zeit hat dieses Wort eine stete Entwicklung durchgemacht und erscheint in den Quellen in verschiedenen Be- 248) LLA RA 02/6/10. 249) Vgl. Ebel, Geschichte der Gesetzgebung, S. 60. 250) Vgl. Schulze, Reiner: Die Polizeigesetzgebung zur Wirtschaft- und Arbeitsordnung der Mark Brandenburg in der frühen Neuzeit. Aalen, 1978 (Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsge-schichte, 
Neue Folge. Band 22), S. 16; im folgenden zitiert als: Schulze, Polizeigesetzgebung. 251) HRG, Band 3. S. 1804. 252) Vgl. Schulze. Polizeigesetzgebung, S. 125. 253) Vgl. Schmelzeisen. Polizeiordnungen, S. 17. 254) Ebenda, S. 17. 255) Vgl. Wieacker, Franz: Privatrechtsgeschichte der Neuzeit unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Entwicklung. Göttingen, 1952, S. 109. 256) Vgl. Conrad, Hermann: Deutsche Rechtsgeschichte. Band IL Neuzeit bis 1806. Karlsruhe, 1966. S. 257. 257) Vgl. Schulze, Polizeigesetzgebung, S. 11. 258) Vgl. Polizei- und Landesordnungen. Hrsg. Gustaf Klemens Schmelzeisen; W. Kunkel; H. Thienne. Köln, Graz, 1968 (Quellen zur Neueren Privatrechtsgeschichte. Band 2), S. 29. 259) Vgl. Weber, Matthias: Die schlesischen Polizei- und Landesord- nungen der frühen Neuzeit. Köln, Weimar, Wien, 1996 (Neue For- schungen zur schlesischen Geschichte. Band 5), S. 14. 260) Vgl. Polizei- und Landesordnungen, S. 24. 261) Hartz, Werner: Die Gesetzgebung des Reichs und der weltlichen Territorien in der Zeit von 1495 bis 1555. Diss. Marburg, 1931, S. 8; im folgenden zitiert als: Hartz. Gesetzgebung des Reichs. 262) Vgl. Ebel, Geschichte der Gesetzgebung, S. 63. 263) Schulze, Polizeigesetzgebung, S. 125. 264) Ebenda, S. 127. 265) Ebel, Geschichte der Gesetzgebung, S. 70 f. fol. 83v und 84r: Als An- hang zum Landsbrauch ist die gültige Polizeiordnung beigefügt. Diese Ordnung enthält im Wesentlichen Vorschriften für ein gottge- fälliges Leben, Anweisun- gen zur Vermeidung von Luxus, Müssiggang und lasterhaftem Tun. Die ein- leitende Bestimmung zur «Abstellung der Tauf Sup- pen» möchte dieses feierli- che Familienessen zwar nicht verhindern, aber ausschweifenden Gelagen und hohen Kosten einen Riegel vorschieben (Seite 56/57). 55
	        

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