Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2002) (101)

Der Fürsprech des Angeklagten hatte aber noch die Möglichkeit, eine Begnadigung zu erwirken. Er sprach von der christlichen Nächstenliebe und bat das Gericht, das Todesurteil in eine Gefängnisstrafe umzuwandeln. Wenn nun der Beklagte gar nicht anwesend, also flüchtig war, so ersuchte der Landammann den Ge- richtsweibel, den Gerichtsring nach drei Seiten zu öffnen und dreimal den Täter laut zu rufen. Kam nach einer Viertelstunde niemand, so wurde der Gerichtsring wieder geschlossen und mit der Ver- handlung fortgefahren. Die Richtstätte, an der die Hinrichtung vollzogen wurde, war vom Ort der Gerichtsversammlung (Dingplatz, Dingstätte) immer getrennt. Der Galgen stand im Oberland an der heutigen Gemeindegren- ze Vaduz-Triesen und im Unterland bei Güdigen, nordöstlich von Eschen.22S Auf eine andere Llin- richtungsart, nämlich das Köpfen, findet man ei- nen Hinweis in der Malefizgerichtsordnung von Blumenegg: «Herr richter, nachdem vormals erkannet ist mit der urteil, daß dieser arm mensch das leben ver- würckt und den todt verschuldet habe, so bedunckt es mich recht auf mein aid, daß diser arm mensch jetz zuemal dem nachrichter229 geantwurt und be- volchen werden solle. Der soll in zue seinen hen- den nemen, binden, versorgen und bewaren nach notturft und solle ine hinausfüeren auf die gewon- liche richtstatt und der übelthalt halben, so er lai- der geüebt und gehandlet, solle ime sein leib ent- zwei gehauen werden und der leib das gröser und das haupt das klainer seie».2?M Leider ist es nicht nachvollziehbar, wie viele To- desurteile tatsächlich vollstreckt wurden und wie oft es auch Begnadigungen gegeben hat. Dass eini- ge Verbrecher begnadigt wurden, ist aus den Ur- fehdeschwüren ersichtlich: Zum Tode verurteilte Verbrecher legten bei ihrer Entlassung aus dem Gefängnis den Schwur ab, dass sie sich wegen er- littenen Strafen nicht an der Herrschaft rächen werden.231 Die letzte Hinrichtung auf Güdigen fand am 5. März 1785 statt.232 
Diese Form der Gerichtsverhandlung mit dem Landammann als Richter war von 1492 bis zum Jahr 1733 gültig. Danach konnten die beiden Land- schaften Vaduz und Schellenberg zwar noch ihre Landammänner wählen; nach einem Erlass des Fürsten Josef Wenzel von Liechtenstein sollten die Landammänner nur noch den Beisitz bei den Blut- gerichten haben und nach der Verlesung des Ur- teils den Stab brechen.233 Die endgültige Aufhebung der Landammannverfassung und somit die Ab- schaffung des Landammannamtes fand im Jahr 1808 statt.234 Exkurs: Hinrichtung und Henker Nachdem der Verbrecher von den Richtern zum Tode verurteilt worden war, wurde er vom Henker oder Nachrichter, wie er in den Quellen genannt wird, zur Hinrichtung geführt. Dies konnte auch erst Tage nach der Verurteilung geschehen; der Verbrecher hatte noch Gelegenheit, einen Priester zu empfangen, oder er wurde sogar begnadigt. Welche verschiedenen Arten der Hinrichtung es gab, geht aus der Bestallungsurkunde für den Scharfrichter Johann Georg Reichlin hervor.235 Man unterschied je nach Aufwand und Kosten zwischen «grossem» Richten, für das der Henker acht Gul- den bekam und «kleinem» Richten; dafür betrug die Belohnung vier Gulden. Zum kleinen Richten zählten Enthaupten, Hängen, und Ertränken, zum grossen Richten Vierteilen, Lebendigbegraben, Verbrennen und Rädern. Beim Rädern wurden dem Delinquenten mit einem eigens angefertigten, schweren Rad alle Glieder zerstossen und danach der gelegentlich noch lebende Körper durch die Speichen eines anderen Rades geflochten.236 Für die benötigten Handschuhe und den Strick erhielt der Scharfrichter jedes Mal 40 Kreuzer; sollte er ei- nen Knecht benötigen, erhielt dieser für die Mahl- zeit 15 Kreuzer. Aber nicht nur die Hinrichtung zählte zu der Tätigkeit des Henkers. Auch über die Bezahlung anderer Dienste gibt die vorgenannte Bestallungs- urkunde Auskunft. Grundsätzlich betrug das jährli- 52
	        

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