Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2002) (101)

DER SACHINHALT ERBRECHT UND TESTAMENTE Das Erbrecht ist das ausführlichste Kapitel des Landsbrauchs. Es beschäftigt sich primär mit der Intestaterbfolge, enthält aber auch sehr genaue Be- stimmungen über die Errichtung von Testamenten. Familienrechtliche Bestimmungen sind in das Erb- recht integriert und werden nicht seperat behan- delt. Auch das eheliche Güterrecht wird nur im Zu- sammenhang mit den vermögensrechtlichen Fol- gen der Ehe, wenn einer der beiden Partner stirbt, angesprochen. Die vorliegende Erbordnung ist übersichtlich ge- gliedert. Zunächst geht es um die Intestaterbfolge, wobei der Grundsatz gilt, 
dass «eines jeden abge- storbenen guth soll fallen auf seine nächst eheliche gebohren und einander mit bluths verwandte freund».123 Nach der Einteilung im Landsbrauch geht es zunächst um die Kinder und Enkel, dann um die Verwandten in aufsteigender Linie, also El- tern und Grosseltern. Als drittes folgen die Ver- wandten in den Seitenlinien. Alle Fälle sind sehr ausführlich dargestellt und werden mit Beispielen und Stammbäumen erklärt. Ein weiteres Kapitel betrifft die gegenseitige Beerbung von Eheleuten und das Heimfallsrecht. fol. lv und 2r: Zuerst behandelt der Lands- brauch einen Erbfall, in welchem die Enkelkinder den Besitz des verstorbe- nen Grossvaters erben. Die Eltern der bedachten Enkel sind ebenfalls ver- storben, die noch lebende Tante geht bei der Verer- bung leer aus. Das Beispiel folgt der Regel, dass der Besitz in «absteigender Li- nie» von der älteren auf die jüngere Generation 
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erbt wird, wobei Verwand- te in aufsteigenden Linien sowie in Seitenlinien nicht erbberechtigt sind (Seite 24/25). 
Als ein zweiter Teil folgen die Bestimmungen über die Testamente, wobei man anmerken kann, dass die Aufstellung von Testamenten von der Ob- rigkeit eher gefördert als unterdrückt wurde.124 Über die Erbfähigkeit, die erbrechtliche Er- werbsfähigkeit, gibt der Landsbrauch keine Aus- kunft. Erwähnt werden nur die unehelichen Kin- der, denen kein gesetzliches Erbrecht zusteht, wie es schon im Schwabenspiegel heisst.125 Die durch nachfolgende Ehe Legitimierten wurden aber wie eheliche Kinder behandelt. Es handelt sich hierbei um eine römisch-rechtliche Legitimationsart, die auch dem Schwabenspiegel bekannt war.126 Ein un- eheliches Kind, das ohne eheliche Nachkommen starb, verlor sein Gut an die Obrigkeit. Zwischen Söhnen und Töchtern wurde im Landsbrauch kein Unterschied gemacht, sie erbten zu gleichen Teilen. Im deutschen Recht wie auch in der römischen Folgeordnung nach Novelle 118,2,3 erbten zunächst die Deszendenten, also die Söhne und Töchter, Enkel und Urenkel und so weiter.127 Im Landsbrauch galt auch das uneingeschränkte Repräsentationsrecht, das im römischen Recht be- schränkt war:128 Für einen vorverstorbenen Sohn konnten seine Kinder zu Erben eintreten, und zwar wurde dessen Anteil auf so viele Teile aufgeteilt, wie Enkel vorhanden waren. (Hierbei handelt es sich um eine Teilung nach Stämmen, die typisch römisch-rechtlich ist129.) Waren jedoch alle Kinder des Erblassers verstorben und nur noch Enkel vor- handen, so wurde das Erbe unter den Enkeln zu gleichen Teilen aufgeteilt. Verbreitet wurde das Re- präsentationsrecht vor allem durch die Reichsge- setzgebung.130 Nach dem deutschen Erbrecht wa- ren die Enkel vorverstorbener Söhne ausgeschlos- sen gewesen; die Einführung des Repräsentations- rechts in zahlreichen Territorien am Beginn der Neuzeit wurde vor allem mit sozialen Argumenten begründet.131 Als nächstes folgten die Geschwister des Erblassers, wobei Geschwister und deren Kin- der die Eltern ausschlössen.132 Dies ist eine Abwei- chung von der Parentelenordnung, welche seit dem späten Mittelalter über grosse Teile der Schweiz und manche Gegenden der Rheinlande, Österreichs und Tirols gültig war.133 Auch Halbgeschwister erb-
	        

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