Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2002) (101)

erwähnt, in der er unter den Gerichtsleuten auf- scheint.106 Die Abschrift wurde vom ehemaligen Schulmeister Johann Christof Faber von Vaduz hergestellt. Der Landammann bekam auf diese Weise ein Nachschlagewerk für Rechtsentschei- dungen vor Gericht. Die Bestimmungen des Landsbrauchs lassen sich in vier Hauptgruppen einteilen: Zu Beginn steht das Erbrecht, ergänzt durch verschiedene Formen von Testamenten, dann folgt - sehr kurz gehalten - das Verzeichnis der Gant, also die Art und Weise des Schuldentriebs. Hierzu kann man auch das Kapitel «Form wie man einen Schuldbrief einlegen soll» zählen. Als nächstes findet sich im Landsbrauch der Ablauf einer Malefizgerichtsver- handlung. Abschliessend enthält der Landsbrauch noch eine ausführliche Polizeiordnung. Ergänzt wird er durch ein übersichtliches Register. Der grösste Wert wird im Landsbrauch auf das Erbrecht gelegt, das den ausführlichsten Teil dar- stellt. Die Erbordnung ist wörtlich gleichlautend mit jener, die in Blumenegg Gültigkeit hatte. Sie wurde von Karl Heinz Burmeister herausgege- ben.107 Die Entwicklung des Erbrechts geht aus der Einleitung, verfasst von Graf Karl Ludwig von Sulz, hervor. Diese ist aber in der Abschrift von 1667 nicht enthalten.108 Karl Ludwig von Sulz bezieht sich zunächst auf die erste schriftliche Erbordnung von Graf Rudolf von Sulz aus dem Jahr 1531. Sie wird in manchen Abhandlungen als der erste Landsbrauch bezeichnet.109 Albert Schädler gibt sie in seiner Abhandlung über die Landsbräuche wort- getreu wieder.110 Entstanden ist sie auf Initiative der Untertanen, die vor Rudolf erschienen und die Aufzeichnung einer Erbordnung forderten. Sie er- folgte mit 
Beratung «ains vicarii und gaistlichen richters zu Chur».ul Es handelte sich dabei um den Bündner Juristen Caspar von Capal, der zur Zeit der Entstehung dieser Erbordnung gerade die wichtigsten Ämter im Bistum Chur innehatte.112 Er machte sich besonders um die Einführung des rö- misch-rechtlichen Repräsentationsrechts im Erb- recht verdient. Aber weder diese Erbordnung noch eine Revisi- on aus dem Jahr 1577 waren laut Graf Karl Ludwig 
von Sulz ausreichend und klar genug abgefasst. Beide Erbordnungen waren ausserdem nur in der Grafschaft Vaduz gültig gewesen. Karl Ludwig war aber auch Herr über Schellenberg und bis zum Jahr 1602 über Blumenegg, das in diesem Jahr durch eine Erbteilung an seinen Bruder Rudolf fiel.113 Deshalb muss man die Entstehung dieser Erbordnung um das Jahr 1600, in jedem Fall vor 1602, festlegen. Der kaiserlich approbierte Notar und Landschreiber Johann Jakob Beck wurde be- auftragt, mit Hilfe eines Rechtsgelehrten ein Erb- recht zu erstellen. Landschreiber waren meist aus- gebildete Juristen und entstammten ganz bestimm- ten Familien.114 Auch bei dieser Erbordnung spielt, wie Karl Ludwig von Sulz betont, der Wunsch der Bevölkerung nach einem einheitlichen Erbrecht eine grosse Rolle. Es handelt sich also hier, um der Einteilung von Karl Heinz Burmeister zu folgen, um eine offizielle Redaktion unter Mitwirkung des Landesherren, die auch in Vorarlberg die Regel- form war.115 Entstanden ist eine sehr umfangrei- che, nicht unkomplizierte Ordnung mit einer Viel- zahl von römisch-rechtlichen Einflüssen, aber auch gewohnheitsrechtlichen Elementen, wie noch zu zeigen sein wird. Im Verzeichnis der Gant wird das Verfahren zum Einzug der Schulden beschrieben. Auch die gebräuchlichen Formeln bei Gerichtsverhandlun- gen zur Ausstellung eines Schuldbriefs für den Gläubiger sind in diesem Kapitel verzeichnet. Aus dem Bereich des Strafrechts ist im Landsbrauch nur die Form der Gerichtsverhandlung bei todes- würdigen Verbrechen, die Malefizordmmg, ver- zeichnet. Es ist auffallend, dass keine weiteren Be- stimmungen strafrechtlichen Inhalts aufgezeichnet wurden. Diesen Umstand finden wir auch im Saxer Landsbrauch. Die Aufzeichnung solcher strafrecht- licher Normen wurde als nicht notwendig betrach- tet, weil das Rechtsbewusstsein der Bevölkerung diesbezüglich besonders ausgeprägt war.116 Wäh- rend also traditionelles, tief eingewurzeltes Ge- wohnheitsrecht oft nicht in schriftlicher Form fest- gehalten wurde, kam es umgekehrt häufig zur Fi- xierung von rezipiertem, aber eigentlich nie leben- dig gewordenem Recht. 22
	        

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