Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2002) (101)

REZENSIONEN / ENDE DES NATIONALSOZIALISMUS UND DEMOKRATISCHER WIEDERAUFBAU emplarisch zitiert sei nachfolgend aus einem Be- richt über die Beschlagnahmung des Gasthauses «Krone» in Feldkirch-Nofels: «Wenn auch von der Bevölkerung Verständnis für die Bedürfnisse der Besatzungstruppen aufge- bracht wird, so wird andererseits doch als Härte empfunden und nicht verstanden, daß zur Deckung dieser Bedürfnisse so schonungslos verfahren wird und ausgerechnet jene Familien die größten Opfer dabei bringen müssen, die dem Nationalsozialis- mus stets ferne standen und sowohl politisch wie moralisch in jeder Hinsicht einwandfrei und an- ständig sind, wie dies gerade bei der genannten Familie [Wirtefamilie Büchel, Anm. d. Verf.] zu- trifft» (S. 162 f.). Zudem gingen mehrere Kleindiebstähle auf das Konto von französischen und marokkanischen Sol- daten. Die Quellen berichten beispielsweise von ei- nem Wäschediebstahl (S. 206), von der Entwen- dung eines «Kleinkraftrades» (S. 241) oder vom Diebstahl von Hühnern und Kaninchen. Letzterer wurde von französischen Soldaten, welche über keine Lebensmittelkarten verfügten, begangen (vgl. S. 344). Weitaus schlimmer wog aber zum Beispiel die versuchte Vergewaltigung eines 18-jährigen Mäd- chens durch einen französischen Soldaten. Eher episodenhaft wirkt hingegen der Vorfall mit der Tochter des französischen Oberst Bruneiii, die in Feldkirch «durch Anrempelung auf der Strasse tät- lich beleidigt wurde». Täterinnen waren zwei 14- jährige Feldkircher Mädchen. Ein diesbezüglicher Bericht hält dazu fest: «Immerhin ist der Fall geeig- net, die Zusammenarbeit zwischen den Besat- zungsbehörden und den österreichischen Stellen zu stören» (S. 203). Gesamthaft gesehen war das Verhältnis zwi- schen den Franzosen und den Einheimischen aber besser als etwa die Beziehungen zwischen den Vor- arlbergern und den 1945 noch ansässigen Zwangs- arbeitern aus Osteuropa (vgl. S. 232). Der Wunsch, dass diese Leute das Land möglichst bald verlies- sen, wurde dann aber auch auf die Franzosen und Marokkaner ausgedehnt. Diese Haltung ist primär in der prekären wirtschaftlichen Situation begrün-det: 
«Das Verhältnis zu den Besatzungstruppen ist im allgemeinen nicht ungünstig, jedoch wäre deren Abzug mit Rücksicht auf die Ernährungslage er- wünscht» (S. 296). Dieser Wunsch ging dann in den späten 1940er und frühen 1950er Jahren im Zuge der sukzessiven Aufhebung der französischen Mi- litärverwaltung weitgehend in Erfüllung. ENTBEHRUNGEN UND LANGSAMEB WIEDERAUFSCHWUNG Die französischen Besatzungstruppen hatten im- mer wieder Personenausweiskontrollen in Vorarl- berg durchgeführt. Es war den Einheimischen aber «kaum möglich, die Lichtbilder zu den Ausweisen zu beschaffen, weil die Fotographen sozusagen kein Material haben» (S. 291). Bereits dieser Hin- weis illustriert, wie sehr in Vorarlberg nach Kriegs- ende noch eine Mangelwirtschaft herrschte. «Sorge bereitet vielen Familien die Versorgung mit Kartof- feln und Fett in den kommenden Monaten», heisst es etwa an anderer Stelle in einem Bericht vom De- zember 1945 (vgl. S. 152). Die Industrie erhielt Die Soldaten der Besät- belegt. Es herrschte grosse zungsarmee wurden gross- Erleichterung über das teils freundlich empfan- eingetretene Kriegsende, gen, wie dieses 1945 in Bludenz entstandene Bild 219
	        

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