Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2002) (101)

schaftlichen und politischen Verhältnisse in Vorarl- berg. Immer wieder kommt dabei auch das Ver- hältnis zwischen der französischen Besatzungs- macht und der einheimischen Bevölkerung zur Sprache. Diese zwei Aspekte - die sich langsam an- bahnende Normalisierung der verschiedenen Le- bensbereiche sowie das Auskommen der Bevölke- rung mit der französischen Besatzungsmacht - sol- len nachfolgend noch in der gebotenen Kürze er- läutert und veranschaulicht werden. Der im Anschluss an die Quellentext-Edition fol- gende Anhang beginnt mit einer geographischen Übersichtskarte von Vorarlberg. Die Gemeinden des im Buch behandelten Bezirks Feldkirch sind darin besonders hervorgehoben. Anschliessend werden die Ergebnisse der Nationalrats- sowie der Landtagswahlen von 1945 in den einzelnen Ge- meinden des genannten Bezirks in Listenform dar- gestellt. Besonders informativ und wertvoll sind die darauf folgenden Erläuterungen zu ausgewählten Begriffen, die in den Quellentexten vorkommen (S. 357-383). Ein Personen- und Firmenindex so- wie ein Ortsverzeichnis runden die Publikation ab. Ankunft der französischen Besatzungsmacht 1945 in Vorarlberg: Kinder begrüs- sen die Soldaten mit einer unbefangenen Neugier und Freundlichkeit, wie hier in Feldkirch-Altenstadt. 
«ICI L'AUTRICHE, PAYS D'AMI» Am Grenzübergang Hörbranz-Unterhochsteg wur- de im Mai 1945 der Hinweis angebracht: «Ici l'Au- triche, pays d'ami», was auf deutsch bedeutet, dass Reisende hier Österreich, ein befreundetes Land betreten. Da wird auch die Absicht erkennbar, dass man Österreich - anders als Deutschland - nicht als feindliches Land betrachten wollte. Zum Teil fehlende Französisch-Kenntnisse der Vorarlberger Bevölkerung erschwerten anfangs Kontakte zwischen den Besatzern und den Einhei- mischen, doch die Beziehungen entwickelten sich dennoch rasch und mündeten oftmals sogar in Freundschaften. Auf der höheren Ebene verstan- den sich die lokalen Behörden gut mit der Militär- regierung, wobei ein gemeinsamer Antikommunis- mus sowie der «Wunsch nach einer konservativen Restaurierung ... das Fundament dieser Beziehung [bildeten]» (S. 41). Und: den Freundschaften der Politiker und der Militärs folgte teilweise die Bevöl- kerung. Es kam zu ersten Beziehungen von franzö- sischen und marokkanischen Soldaten der Besat- zungsarmee mit vorarlbergischen Frauen, wobei vor allem die exotischen Farbigen «das Objekt ei- ner gewissen Vorliebe» gewesen sein sollen (S. 42). In den Quellentexten wird das Verhältnis zwi- schen den Besatzungstruppen und der einheimi- schen Bevölkerung allerdings eher nüchtern be- trachtet. Es gibt auch Hinweise auf zunehmende Schwierigkeiten im Umgang miteinander. Diese Schwierigkeiten sind vornehmlich begründet durch die wirtschaftlichen Nöte der Vorarlberger Nach- kriegsgesellschaft. Zudem hatte Vorarlberg in den Jahren von 1935 bis 1945 ein 20-prozentiges Be- völkerungswachstum, bedingt durch die provisori- sche Aufnahme von 12 000 Flüchtlingen sowie von 10 000 Zwangsarbeiter/innen aus Osteuropa, aber auch durch die definitive Einwanderung von rund 11 000 Aussiedlern aus dem Südtirol. Es kam folg- lich zu einer Knappheit an Wohnraum. Dieses Pro- blem wurde massiv verschärft im Jahr 1945 durch Beschlagnahmung zahlreicher Wohnungen, in de- nen die französischen Truppen sowie teilweise auch ihre Angehörigen untergebracht wurden. Ex- 218
	        

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