Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2002) (101)

REZENSIONEN / «IN SCHICKSALSSCHWERER ZEIT GELANGEN DIE PARTEIEN AN EUCH ...» Wirth stand in weitreichenden Verbindungen zu Frontisten und Nationalsozialisten in der Schweiz, ebenso zu Nationalsozialisten der «Volksdeutschen Bewegung in Liechtenstein», so zu Rudolf Schädler, Peter Rheinberger und Martin Hilti, dem Schriftlei- ter des ab Oktober 1940 erscheinenden Hetzblattes <Der Umbruch). Wirth erhielt von Hilti den (Um- bruch» regelmässig zugestellt. Weitere verschwöre- rische Verbindungen des politischen Pfarrers reich- ten zu deutschen Konsular- und Gesandtschaftsbe- amten in der Schweiz sowie zum Chef der Grenz- polizei in Feldkirch, Karl Kriener. Wirth war durch Rudolf Schädler in Vaduz anlässlich der Fürsten- huldigungsfeier vom 29. Mai 1939 auch mit Klaus Huegel bekannt gemacht worden. Huegel war beim deutschen Sicherheitsdienst (SD) der SS von Stutt- gart aus für politischen Nachrichtendienst aus der Schweiz zuständig und auch an Liechtenstein in- teressiert. Ende Dezember 1940 wurde Wirth als Pfarrer in Azmoos suspendiert, im Januar 1941 verhaftet, bald wieder freigelassen. Er beteuerte seine Un- schuld in Zeitungseinsendungen. Im Sommer 1941 kam Wirth einer Amtsenthebung zuvor und ver- zichtete auf die Pfarrer stelle, gegen eine Abfin- dung. Das Bezirksgericht Werdenberg in Buchs sprach Wirth dann im Dezember 1941 zwar von der Anklage staatsgefährlicher Umtriebe frei, auf- erlegte ihm aber alle Verfahrenskosten. Das Beru- fungsverfahren der Bundesanwaltschaft und der St. Galler Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch - dieser wurde vom St. Galler Kantonsgericht dann bestätigt - wartete Wirth nicht ab: Er floh im Fe- bruar 1942 nach Deutschland, «wohin ihn sein Herz schon lange zog», wie der <W&0> berichtete. In Deutschland entfaltete Wirth bis zum Kriegs- ende - wie später erst ans Licht kam - rastlose Wühlarbeit gegen die Schweiz. Er wirkte in Stutt- gart für den «Volksbund für das Deutschtum im Ausland», gelangte im Frühjahr 1944 mit einem Plan an Himmler zur «Machtergreifung der Natio- nalsozialisten in der Schweiz», leitete ab dem Som- mer 1944 in Radolfzell das «Oberdeutsche Arbeits- büro», wo er umfangreiche Karteien über Schwei- zer anlegte, darunter vermutlich auch Liquidati-onslisten. 
Wenige Tage vor dem Waffenstillstand wurde Wirth beim Übertritt nach Kreuzungen ver- haftet. 1947 wurde er zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt, 1951 nach Verbüssung von zwei Dritteln der Strafe regulär freigelassen. EXKURS: RLICKE ÜRER DIE GRENZE Vom Liechtenstein aus gesehen liegt der Bezirk Werdenberg ennet dem Rhein, der Länge nach ge- nau gegenüber dem Fürstentum. Hagmanns Werk zur Werdenberger Zeitgeschichte der Dreissiger- und der Kriegsjahre beschränkt sich indes auf die Schweizer Seite, er schaut selten ins Liechtenstei- nische oder Vorarlbergische hinüber. Immerhin lie- gen bereits grössere wissenschaftliche Untersu- chungen zur Krisenzeit, teils auch zur Kriegszeit, vor, sowohl für Vorarlberg (Gerhard Wanner, Har- ald Walser, Meinrad Pichler u. a.) als auch für Liechtenstein (Peter Geiger) wie übrigens auch für den Bezirk Sargans (Claudio Stucky). Hier ist es nun doch reizvoll, den Blick über die Grenze hin- weg schweifen zu lassen und einige von Hagmanns Werdenberger Ergebnissen in den Vergleich zu set- zen. Dabei fallen etliche Ähnlichkeiten und manche Unterschiede der gleichzeitigen, aber nicht gleich- artigen Entwicklung ins Auge. Wirtschaftliche Not und Arbeitslosigkeit in der Krisenzeit trafen Liechtenstein noch stärker als Werdenberg, aber Vorarlberg nochmals stärker als beide. Zur Abhilfe war der Bezirk Werdenberg, an- ders als Liechtenstein, nicht auf sich allein gestellt, indem Kanton und Bund gesetzgeberisch wie mate- riell helfen konnten. In Vorarlberg wäre die öster- reichische Regierung in Wien eine ähnliche Hilfs- plattform gewesen, aber die andern Bundesländer litten noch schlimmer als Vorarlberg. Während Ar- beitslose im Werdenberg wie in Vorarlberg, hier freilich minim, versichert waren, fehlte in Liech- tenstein jede Arbeitslosenversicherung, hier war der Erwerbslose auf sporadische Unterstützungs- zahlung angewiesen, von der Regierung oder der Gemeinde oder auch dem fernen Fürsten in jedem Einzelfall beschlossen. 213
	        

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