Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2002) (101)

REZENSIONEN HANDBUCH DER BÜNDNER GESCHICHTE (in der Regel 20 bis 60 Seiten) und der flüssige sprachliche Stil der 32 Beiträge, die von insgesamt 33 Autorinnen und Autoren verfasst wurden. Diese Beiträge verteilen sich auf drei Bände, von denen der erste Frühzeit und Mittelalter, der zweite die frühe Neuzeit (1500-1800) und der dritte das 19. und 20. Jahrhundert behandeln. Ein vierter Band enthält Quellen und Materialien zur Bündner Geschichte, deren Reichhaltigkeit durch eine eben- falls beiliegende CD-ROM noch erweitert wird. Eine eingehende Besprechung aller Beiträge ist hier nicht möglich. Es werden deshalb nur die be- handelten Themen genannt und (auch unter einem liechtensteinischen Blickwinkel) einzelne Punkte herausgehoben. Das Gebiet des heutigen Liechtenstein war (und ist) mit Graubünden nicht nur kulturell, sondern von der Frühzeit bis zum Spätmittelalter auch politisch- herrschaftlich und bis 1997 kirchlich so eng ver- bunden, dass gerade die Aufsätze von Band 1 für die liechtensteinische Geschichte direkt relevant sind. So haben etwa die in den Kapiteln zur Urge- schichte (Jürg Rageth) und zur römischen Zeit (Ste- fanie Martin-Kilcher und Andrea Schaer) zu fin- denden alltags- und kulturgeschichtlichen Aussa- gen zu Siedlung und Bauen, Essen und Trinken, Kult und Glaube oder zu den wirtschaftlichen Tätigkeiten jedenfalls über Graubünden hinausge- hende Bedeutung. In der noch immer nicht sicher klärbaren Frage der Lokalisierung des in der Peu- tingerschen Tafel, einer spätrömischen Strassen- karte, verzeichneten Magia - hier als römischer vi- cus (Kleinstadt) interpretiert - wird Balzers ge- genüber Maienfeld der Vorzug gegeben. In Reinhold Kaisers Beitrag zum Frühmittelalter findet sich neben dem Hinweis auf die Schaaner St. Peterskirche mit Baptisterium als früher Beleg der Christianisierung Churrätiens u.a. ein interessan- ter Abschnitt zur Sozialstruktur der frühmittelalter- lichen Bevölkerung, in dem die Unterschichtung der Freien nach Besitz, Ansehen und politischer Funktion sowie der Minder- und Unfreien nach ih- rer rechtlichen und wirtschaftlichen Stellung deut- lich gemacht wird. 
Neue Impulse erhielt die Bündner Bevölkerungs- struktur im Hochmittelalter durch die Einwande- rung deutschsprachiger Gruppen aus dem Ober- wallis seit Ende des 12. Jahrhunderts. In Rezeption der durch neuere Forschungen revidierten Sicht des sogenannten «Walser Volkstums» weist Werner Meyer aber darauf hin, dass sich «abgesehen von der unbestreitbaren Sprachüberlieferung ... die meisten Phänomene eines vermeintlichen, ethnisch definierten <Walsertums> in Luft aufgelöst oder als folkloristische Neuschöpfungen des 19./20. Jahr- hunderts herausgestellt» haben.3 - Die rechtliche Privilegierung der Walser entsprach durchwegs den üblichen, von den Landesherren gewährten Kolonistenprivilegien. Überhaupt muss die Walser- wanderung im Rahmen der im hochmittelalterli- chen Landesausbau erhöhten Mobilität auch ande- rer, italienisch- und rätoromanischsprachiger Be- völkerungsgruppen gesehen werden. Gesellschaft und Wirtschaft des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit (Band 2) werden von Flori- an Flitz (Spätmittelalter), Jon Mathieu (Ländliche Gesellschaft) und Max Hilfiker (Handwerk und Ge- werbe, Handel und Verkehr) dargestellt. Behandel- te Iiiemen sind hier u.a. die Entwicklung von Um- welt und Bevölkerung, Sozialstruktur und Standes- verhältnissen wie der Leibeigenschaft, Mobilität und Auswanderung, Arbeit und Ernährung, Ehe und Familie, Geschlechterrollen und Lebensalter. Im Bereich der Wirtschaft geht es um Verfügungs- rechte über Grund und Boden (zum Beispiel die Ausbreitung der Erbleihe), Bedingungen und For- men alpiner Landwirtschaft wie der Alp- und Mai- ensässwirtschaft, genossenschaftliche und indivi- duelle Nutzungsformen, die Blüte des Transitver- kehrs (Säumer und Porten), den bescheidenen Um- fang des ländlichen Gewerbes sowie die auch in 1) Friedrich Pieth: Bündnergeschichte. Chur, 1945. 2) Roger Sablonier. Band 1, S. 11 (Vorwort). 3) Werner Meyer. Band 1, S. 174. 191
	        

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