Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2002) (101)

«LANDTS BRAUCH, ODER ERBRECHT» KARIN SCHAMBERGER-ROGL DER LANDSBRAUCH - EIN WEISTUM? DER BEGRIFF DES WEISTUMS Als «Weistümer» werden eine bestimmte Art von ländlichen Rechtsquellen bezeichnet. Diese Be- zeichnung ist seit den Arbeiten Jacob Grimms üb- lich geworden.56 Dieter Werkmüller gibt an, dass das Wort Weistum aus den Quellen selbst stammt, die sich häufig als «weistum», «Weisung», «wisin- ge», «wisong» oder «bewisung» bezeichnen.57 Weistümer sagen etwas aus über die Rechtslage in früheren Zeiten. Sie regeln seit dem Spätmittel- alter meist das Verhältnis zwischen dem Grund- herrn und seinen Hintersassen.58 Sobald man die gegenseitigen Rechte und Pflichten gewiesen - also in einer förmlichen Versammlung festgestellt - hat- te, waren sowohl die Bauern als auch der Grund- herr an das Weistum gebunden.59 Das erklärt die beiderseitige Bestrebung, in allen Bereichen des Rechts eine Bestimmung zu finden, um sich im Streitfall auf das Weistum berufen zu können. Die Bedeutung der Weistümer liegt demnach in Aussa- gen über die Wirtschafts-, die Sozial- und die Rechtsgeschichte. Der Beginn der Weistumsforschung ist mit den Quellensammlungen Jacob Grimms anzusetzen. Seine Sammlung, die aus sechs Bänden besteht, enthält Weistümer aus allen Teilen Deutschlands, aber auch aus der Schweiz, Frankreich und Öster- reich. Sie gilt als grundlegend und wegweisend für alle späteren Weistümersammlungen.60 Im Jahr 1870 begann man in Österreich, Weistü- mer zu sammeln und herauszugeben. Dies geschah im Auftrag der kaiserlichen Akademie der Wissen- schaften. Die Einteilung erfolgte nach Krön- re- spektive Bundesländern. Heute ist diese Edition be- reits auf 18 Bände angewachsen. Die Vorarlberger Weistümer wurden von Karl Heinz Burmeister her- ausgegeben, der zuvor schon Studien über den Charakter und die Entstehung der Vorarlberger Weistümer veröffentlicht hat. Seine Studien können auch zur Bearbeitung der liechtensteinischen Landsbräuche herangezogen werden. 
Die Schweiz ist ebenfalls ein Gebiet, das reich an Weistümern ist.61 Sie sind in der grossen «Samm- lung Schweizerischer Rechtsquellen» ediert. Be- sonders hervorzuheben ist die Auswertung der St. Galler Offnungen62 durch Walter Müller.63 Für den Vergleich mit Liechtenstein interessant ist die Edition des Landsbrauchs der zürcherischen Frei- herrschaft Sax-Forsteck aus dem Jahr 1627 durch Hans Georg Aebi.64 Das Wort «Weistum» kommt von der Weisung und ist gleichzeitig das Ergebnis der Weisung.65 49) Ebenda, S. 51 f. 50) Ebenda, S. 16. 51) Büchel, Geschichte des Eschnerberges. S. 16 f. 52) LUB 1/3, S. 88. 53) Büchel, Geschichte des Eschnerberges, S. 18 f. 54) LUB 1/3, S. 213. 55) Büchel. Geschichte des Eschnerberges, S. 21 f. 56) Werkmüller, Dieter: Über Aufkommen und Verbreitung der Weis- tümer. Nach der Sammlung von Jacob Grimm. Berlin, 1973, S. 66; im folgenden zitiert als: Werkmüller, Aufkommen der Weistümer. 57) Ebenda. 58) Vgl. Wiessner, Hermann: Sachinhalt und wirtschaftliche Bedeu- tung der Weistümer im deutschen Kulturgebiet. Baden, Wien, Leipzig, Brünn, 1934, S. 2; im folgenden zitiert als; Wiessner, Sachinhalt. 59) Vgl. Theisl, Maria: Die Bestimmungen der Weistümer der österreichischen Alpenländer im Spiegel des heutigen Rechtes. Diss. Graz, 1994, S. 19; im folgenden zitiert als: Theisl, Bestimmungen der Weistümer. 60) Die Grimm'sche Weistümersammlung wird ausführlich behan- delt bei Werkmüller, Aufkommen der Weistümer, S. 34 ff. Allerdings beschränkt sich die Abhandlung auf das Gebiet der alten Bundesre- publik Deutschland. 61) Vgl. ebenda, S. 84. 62) Zum Begriff «Öffnung» siehe Ausführungen auf Seite 16. 63) Müller, Walter: Die Offnungen der Fürstabtei St. Galten. Die Ergebnisse im Spiegel der Weistumsforschung. In: Deutsche Ländli- che Rechtsquellen. Probleme und Wege der Weistumsforschung. Hrsg. Peter Blickle. 1. Auflage, Stuttgart, 1977. 64) Aebi, Hans Georg: Landsbrauch der zürcherischen Freiherr- schaft Sax-Forsteck 1627. Ein Beitrag zur Erforschung ländlicher Rechtsquellen im St. Galler Rheintal. Diss. Zürich, 1974: im folgen- den zitiert als: Aebi, Landsbrauch Sax-Forsteck. 65) Vgl. Wiessner. Sachinhalt, S. 1. 15
	        

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