Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2002) (101)

Vorfreude auf den Feier- abend. Arbeiter beim Verlassen des Geländes der Firma Hoval AG in Vaduz, 1994 eher zu erwarten gewesen wäre, von Seiten der Ar- beitnehmerschaft, erstaunt im ersten Moment. Bei genauerer Betrachtung sowie der Berücksichtigung der gesellschaftlichen Zusammenhänge ist das Vor- gehen der Industriekammer jedoch durchaus ver- ständlich. Zum Vorschlag selbst: Die Festlegung des Aus- länderanteils auf einen Drittel der Gesamtbevölke- rung orientierte sich am Ausländerbestand vom 31. Dezember 1969, der damals 30,8 Prozent be- trug. Er bedeutete also - im Unterschied zu den ähnlich gelagerten Bestrebungen der schweizeri- schen Überfremdungsbewegung - keine Reduktion der ausländischen Wohnbevölkerung, sondern be- inhaltete eine Wachstumsreserve von über zwei Prozent. Zusätzlichen Spielraum erhoffte man sich von einer Revision der Einbürgerungsgesetzge- bung.10 Der Vorschlag der Industriekammer kam zu ei- ner Zeit, in der die Abstimmungskampagne zur Schwarzenbach-Initiative auf vollen Touren war. Diese forderte die Reduktion der ausländischen Wohnbevölkerung auf zehn Prozent der Gesamtbe- völkerung und zwar pro Kanton. Auf diesem Hin- tergrund und des auch in Liechtenstein bestehen- den Handlungsbedarfs stellt sich das Vorpreschen der Industriekammer als Flucht nach vorne dar. Es ging darum, Schlimmeres zu verhüten. 
Vom bedeutendsten Wirtschaftsvertreter einge- bracht, stellte der Vorschlag ein ernst zu nehmen- des Verhandlungsangebot dar, auf das schliesslich auch die Arbeitnehmervertretung einschwenkte. Auch wenn nach Auffassung des Arbeitnehmerver- bands ein Ausländeranteil von einem Drittel «das wirklich höchste noch tragbare Mass» bedeutete, war mit der Festlegung eines Höchstwertes doch Entscheidendes gewonnen. Die «Drittelsgrenze» wurde in der Folge zum massgebenden Kriterium wie auch zum Marken- zeichen der liechtensteinischen Zulassungspolitik. Sie definierte die Zuwanderung nicht nur im quan- titativen Sinne sondern auch qualitativ. Je mehr Schweizerinnen zuwanderten - auch diese zählten zur ausländischen Wohnbevölkerung - desto res- triktiver gestaltete sich die Zulassung von Drittaus- länderinnen. Ähnliches lässt sich auch bezüglich der Zulassung von erwerbstätigen und nichter- werbstätigen Drittausländerinnen feststellen. Je li- beraler die Zulassung von erwerbstätigen Aufent- halterinnen war, desto restriktiver fiel die Zulas- sung von Nichterwerbstätigen aus. Dies war neben den Überfremdungsängsten der Hauptgrund für die äusserst restriktive Handhabung des Familien- zuzugs. Es erklärt damit auch ein Stück weit die Repressivität des liechtensteinischen Ausländerre- gimes. 178
	        

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