Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2002) (101)

DIE LIECHTENSTEINISCHE MIGRATIONSPOLITIK CLAUDIA HEEB-FLECK / VERONIKA MARXER-GSELL Erzwungene Zugeständnisse an das Niederlassungsprinzip: die Liberalisierung des Familien- nachzugs 1968 DRUCK VON AUSSEN Die Schweiz und in der Folge auch Liechtenstein wurden aufgrund ihrer restriktiven Ausländerpoli- tik von Italien in den 1960er Jahren stark unter Druck gesetzt. In der Schweiz kam es nach zähen Verhandlungen (1961-1964) zum Abschluss eines Einwanderungsabkommens, das der Schweiz weit- gehende Zugeständnisse abverlangte. Als die be- deutendsten sind zu nennen: die Möglichkeit des Familiennachzugs für Jahresaufenthalter nach 18 Italiener — ist unseres Wissens etwas gesorgt. Fami- lien brauchen aber eine vermehrte religiöse und auch soziale Betreuung. Auch dazu wieder höchstwahr- scheinlich fremdsprachiges Personal. Dies sind, wie gesagt, nur einige Konsequenzen, die sich aus dem Familienzuzug ergeben würden. In der Praxis kämen noch etwelche dazu, die jetzt nicht vorauszusehen sind. Die Sache würde also gleichsam zu einem Perpetuum mobile, das im Endeffekt zur weitgehenden Auflösung der liechtensteinischen Substanz führen würde. Nach unserer Auf fassung wäre das Obel auch nicht behoben, wenn die Unternehmer die volle Verant- wortung für die Fremdarbeiter und deren Familien auf sich nehmen würden. Der fremde Familienvater hat nicht den geringsten Kredit, er muß also das ganze Jahr beschäftigt werden. Was würde der liech- tensteinische Bauarbeiter sagen, wenn er im Winter unter Umständen zu Hause bleiben müßte und der Fremdarbeiter beschäftigt würde, ja beschäftigt wer- den müßte. Wir haben keine Arbeitslosenversiche- rung, die in einem solchen Falle einen Ausgleich schaffen könnte. Und so gäbe es unliebsame Dinge noch und noch. Man wird uns vorwerfen, wir hätten für den ausländischen und gar den fremdsprachigen Kollegen kein Verständnis. Wir fühlten ihm gegenüber kerne christliche und moralische Verpflichtung. Dem ist nicht so. Wir wissen, daß es schwer ist fern der Hei- mat in einem anderssprachigen Land das Brot ver- dienen zu müssen. Es ist hart, sehr hart, für einen Familienvater die längste Zeit des Jahres von der Familie getrennt sein zu müssen. Aber sind wir schuld an ihrem bitteren Los? Können wir es beseiti- gen? Nein. Aber lindern können wir es, indem den Fremdarbeitern eine entsprechende Unterkunft ge- boten wird, indem sie am Arbeitsplatz als dienst- tuende Menschen und nicht als unliebsame Fremd- linge behandelt werden, indem ihnen der gerechte Lohn zuteil wird, kurzum indem ihnen in jeder Be- ziehungeine menschen würdige Behandlung zukommt. Dieses Entgegenkommen werden die Fremdarbeiter bestimmt dankend anerkennen und sie werden wie- der kommen. Ein Familienzuzug ist für unser kleines Ländchen jedoch nicht tragbar, weil dieser in seiner Konse- quenz zur teilweisen Selbstaufgabe führt und eine solche kann von uns billigerweise nicht verlangt werden. 
Monaten, vordem drei Jahre; der Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach fünf Jahren bis zur Erreichung der Niederlassung (zehn Jahre) und der Anspruch der Saisonniers auf die Umwandlung ihrer Bewilligung in eine Jahresauf- enthaltsbewilligung nach 45 Monaten Saisonarbeit innert fünf Jahren bei gleichzeitiger Familiennach- zugsmöglichkeit. Insbesondere die Einführung von Rechtsansprüchen stebte für die Migrantinnen eine entscheidende Verbesserung ihrer Rechtsstellung dar. Auf Druck Spaniens wurden diese Vergünsti- gungen 1967 auch auf die spanischen Arbeitskräfte und in der Konsequenz auf die anderen europäi- schen Staaten exklusive Osteuropa ausgedehnt. Die in der Schweiz erfolgte Liberalisierung erzeugte in Liechtenstein einen grossen Anpassungsdruck. Die Angst, ebenfalls zu unliebsamen Zugeständnissen gezwungen zu werden, war allgegenwärtig, die Verhinderung eines ähnlichen Abkommens vorran- giges Ziel. Ab 1966 setzte Italien Liechtenstein über den italienischen Konsul in St. Gallen auch direkt unter Druck. Im Vergleich zur Schweiz bewegten sich die Forderungen jedoch in einem bescheidenen Rah- men. Sie beschränkten sich auf die Aufhebung des Familiennachzugsverbots für Hilfs- und Facharbei- ter und eine Verbesserung der sozialen Sicherheit der Einwandernden. Für die liechtensteinische Mi- grationspolitik stellte der Druck Italiens und dessen innenpolitische Implikationen jedoch eine grosse Herausforderung dar. Im Mitteilungsblatt des Liechtensteinischen Ar- beitnehmerverbandes wird im Dezember 1964 Stimmung gemacht gegen die Gewährung von Auf- enthaltsbewilligungen von ausländischen Arbeitskräf- ten. 169
	        

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